Releasetermin: 02.12.2014
Medientyp: Blu-ray Disc, Download
Genre: Rennspiel
Entwickler: Ivory Tower
Herausgeber: Ubisoft
Ivory Tower ist ein 2007 gegründetes Entwicklerstudio, das sich aus Rennspielveteranen zusammensetzt, die bereits an den Test Drive- und Need For Speed-Reihen mitgewirkt haben. Das französische Team hat sich mit dem ersten Projekt „The Crew“ viel vorgenommen, denn der Racer will mit erwachsener Story und gigantischer Spielwelt punkten. Als Publisher steht Ubisoft hinter dem Titel, doch ist das Projekt gelungen? Lohnt sich das Rennspiel tatsächlich wegen der Handlung, oder zieht diese den Spaß am Fahren herunter? Wir sind ins virtuelle Amerika gereist und berichten von unserem Erlebnis mit der Crew.
Korrupter Cop und Rache – alles schon gesehen
Wie schon EA mit Need For Speed: The Run bereits kläglich am Versuch gescheitert ist, ein Rennspiel mit bedeutungsvoller Story zu präsentieren, schaffen die Entwickler von Ivory Tower auch bei The Crew keine Revolution in dieser Hinsicht. Obwohl die Zwischensequenzen optisch ordentlich etwas hermachen, kommen sie inhaltlich nicht über flachen Kitsch und Klischee hinaus. Wir nehmen die Rolle von Protagonist Alex Taylor ein, der den Tod seines Bruders miterleben musste und sogar für den Mörder erklärt wird. Dadurch wird der Weg für eine klassische Rachestory geebnet. Das FBI schreitet ein und bietet uns lächerlich viel Freiheit, wenn wir mit dem Geheimdienst kooperieren. So sind wir schnell wieder auf freiem Fuß unterwegs und müssen sowohl einen korrupten Cop als auch die 510-Gang zur Strecke bringen, die sich von einem Club illegaler Straßenrennen zur Mafia-ähnlichen Organisation entwickelt hat. Das Ziel von Alex lautet also, die 510 Mitglieder zu unterwandern und innerhalb der Organisation aufzusteigen, um nach und nach immer mehr belastende Informationen zum Mordfall zu sammeln. Hier wird uns keineswegs eine originelle Story geboten, die gezeigten Ereignisse hat man in vielen Filmen und Serien schon x-fach in ähnlicher Ausführung gesehen. Der Hauptcharakter Alex bleibt weitestgehend blass, die vielen Nebenfiguren klappern sämtliche Klischees ab. Wir treffen nicht nur auf einen Möchtegern-Hip Hop-Raser nach dem anderen, sondern machen auch mit knapp bekleideten Mädels Bekanntschaft. Würde ein Rennspiel tatsächlich einmal mit einer erwachsenen, spannend präsentierten Handlung daherkommen, wäre ich definitiv nicht abgeneigt. The Crew hat mir einmal mehr aber gezeigt, dass ich bei einem Racer grundsätzlich keine Story brauche – jedenfalls nicht solch eine dürftig geschriebene, mit absolut vergesslichen Charakteren versehene Story.
Amerika als Spielplatz für Raser
Schauplatz der Rachestory ist eine Nachbildung der Vereinigten Staaten von Amerika. Auch wenn die virtuelle Version von Amerika nicht als 1:1 Umsetzung angesehen werden kann, sind alle großen bekannten Wahrzeichen vorhanden. Die Freiheitsstatue, der Grand Canyon oder auch die Golden Gate Bridge können besichtigt und besucht werden. Die Sehenswürdigkeiten machen dabei nur die Hälfte des Zaubers aus: Wirklich beeindruckend ist die schier gewaltige Dimension der Spielwelt. Spieler haben die Freiheit, die gesamte Karte zu erkunden und alle Ecken der Bundesstaaten zu erforschen. Dabei sind keine Ladezeiten beim Fahren zu erleben, weiterhin überzeugt die Vielfalt der Areale. Ich hatte großen Spaß dabei, mich auf den Straßen und auch abseits des Asphalts in einem riesigen Sandkasten auszutoben. Wer die ganze Spielwelt sehen will, hat dutzende Stunden vor sich, denn die Durchquerung von Amerika benötigt zwar keine realistische, aber dennoch eine beachtliche Zeit. Wurde ein bestimmter Ort einmal befahren, lässt er sich zeitsparend durch eine Blitzreise wieder besuchen. Wer nicht die Geduld oder Lust hat, die Karte einmalig komplett abzuklappern, kann die Schnellreise in ferne Orte per Spielwährung freischalten. Hier kommen abermals Microtransactions zum Zuge, wovon ich grundsätzlich nicht viel halte. Ich hatte Freude an der Erkundung der Gebiete, aber ich kann mir vorstellen, dass manche Leute ihr Lieblingswahrzeichen lieber so schnell wie möglich ansteuern wollen und deshalb nicht um die Zahlung per Echtgeld herum kommen. Die Handlung verlagert das Geschehen im schleppenden Tempo in andere Großstädte, sodass das Microtransactions-System leider durchaus Erfolg haben könnte.
Reguläre Rennen und spontane Slaloms
Ebenso gewaltig wie die Größe der Spielwelt ausfällt, ist auch der Umfang an Tätigkeiten. Zunächst fallen die etlichen Herausforderungen ins Auge. Fährt man im virtuellen Amerika herum, dauert es keine Minute, bis man der ersten einer solchen Herausforderung begegnet. Slalom-Tests, die es möglichst fehlerfrei und möglichst schnell zu absolvieren gilt und Sprungschanzen, bei denen es eine gewisse Sprungweite zu schlagen gilt, sind nur eine Auswahl der verschiedenen Challenges. Diese sind völlig optional, lassen sich beliebig oft wiederholen und werden mit Bronze-, Silber- und Gold-Abschlüssen belohnt. Je besser man abschneidet, desto höher fällt die Belohnung in Form von Geld, XP oder Fahrzeugteilen aus. In jeder Stadt gibt es zahlreiche solcher optionalen Events. Die Story-Aufgaben setzen sich hauptsächlich durch gewöhnliche Rennen aus, doch auch hier ist für Abwechslung gesorgt und so muss man beispielsweise auch mal den Wagen seiner Mitstreiter auf Zeit durch Rempler zerstören. Weiterhin sind in der Spielwelt Autowrackteile versteckt, durch deren Funde sich spezielle Autos freischalten. Zugegebenermaßen flacht die anfängliche Freude über viel Abwechslung nach einigen Stunden ab – schließlich bietet jede Stadt im Grunde genommen die selbe Art von Aufgaben- und Herausforderungstypen. Doch da Ubisoft regelmäßig neue Tätigkeiten per Patches hinzufügt, ist Langeweile beim Spielen meistens ein Fremdwort. Wer alle Events absolvieren und auch mit Gold-Abschluss meistern will, blickt hier mindestens 100 Stunden Spielzeit entgegen.
Willkommen in meiner Crew
Und wo steckt das „Crew“ in The Crew? Der Name suggeriert das Vorgehen im Team und nicht eine Ein-Mann-Show im Story-Modus, deshalb war ich etwas verwundert über den Crew-Aspekt. In der Handlung baut sich tatsächlich eine Art Crew um Alex herum auf, doch die Mitglieder tauchen lediglich in nervigen Funk-Gesprächen auf, sodass dieses Element eigentlich kaum eine Beachtung verdient. Auch eine vierköpfige Online-Crew ist möglich, mit der Ereignisse kooperativ angegangen werden können. Zwar wird die Möglichkeit stets präsentiert, aber es wird nie ein großer Fokus darauf gelegt, sodass ich eigentlich zu keinem Zeitpunkt den Drang nach einer Online-Crew verspürte. Was nicht heißen soll, dass der Online-Part schlecht ausfällt – im Gegenteil. Jedes Event können wir gemeinsam mit Crew-Freunden spielen und auch fremde Spieler können in die Sitzung eingeladen werden. Das kooperative Fahren macht Spaß, doch wird darauf trotz des Titels „The Crew“ eine erstaunlich geringe Gewichtung gelegt. Wären in der Spielwelt nicht durchgehend fremde Spieler mit ihrem PSN-Namen angezeigt, würde ich schnell vergessen, dass sich The Crew auch mit anderen Spielern erleben lässt – oder gegen andere Spieler. PVP-Lobbies sind ebenso möglich, für den Fall, dass man nach einer anderen Herausforderung als den KI-Rasern sucht. Die Online-Komponente macht Spaß, doch kann ich bei der zurückgehaltenen Implementierung des Crew-Elements nicht verstehen, wieso Ubisoft dem Spiel eine Online-Voraussetzung aufgezwungen hat. Ja, The Crew lässt sich nur spielen, wenn eine Verbindung zu den Ubisoft-Servern besteht. Schwächelt die Leitung, ist es nicht unüblich, dass man im Hauptmenü landet und seinen Fortschritt verliert. Besonders ärgerlich ist dies, wenn man im späteren Verlauf des Spiels an einem Ausdauer-Event teilnimmt, was gut und gerne mehrere Stunden andauern kann.
Einstellungen formen das Fahrverhalten
Genug über den Spielumfang und die Funktionen – wie steuern sich die Fahrzeuge in The Crew? Dieser Punkt ist für Rennspielfans meist der wichtigste, denn was bringt ein auf dem Papier guter Racer, wenn das Fahrverhalten für die Tonne ist? Die gute Nachricht: Etliche Optionsvariationen machen The Crew zum vielfältigen Rennspaß. Obwohl als Standard sämtliche Fahrhilfen eingeschaltet sind, lassen sich viele Einzelheiten verändern. Steuerungsempfindlichkeit, Lenkungslinearität & -geschwindigkeitsfaktor, Gaspedallinearität– alles nach Belieben verstellbar. Dadurch kann das Spiel sich sowohl als reiner Arcade-Racer präsentieren, als auch realistisch angehaucht wirken. Eine Simulation sollte man gewiss nicht erwarten, aber die verschiedenen Einstellungsmöglichkeiten können das Spielgeschehen zumindest geringfügig in diese Richtung lenken. Ich empfehle jedem Spieler, sich zu Beginn einen Überblick über die Optionen zu verschaffen. Ich hatte anfänglich mit der Schwerfälligkeit der Wagen zu kämpfen, die zwar nicht völlig auszumerzen, aber einzudämmen ist. Außerdem muss bedacht werden, dass sich die Wagen alle unterschiedlich steuern. Nicht zuletzt bietet das Spiel viele Upgrades an den Fahrzeugen, die das Fahrverhalten weiter beeinflussen. Je nach Spielstil lässt sich ein Wagen auf Straßen-Stärke und Off-Road-Fähigkeit ausrichten. Hier muss man sich gehörig Gedanken über das Balancing der Wagenausrichtung machen. Es bietet sich an, zumindest ein Auto auf Off-Road auszulegen und wiederum ein Vehikel straßentauglich zu gestalten. Doch was ist mit Rennen, die gleichermaßen auf und abseits der Straße stattfinden? Die verschiedenen Events machen die Auslegung der Wagenstärken zur spaßigen Angelegenheit. Fahrzeuge mit Upgrades auszustatten ist zwar mit einer Menge Grinding verbunden, schließlich gibt es pro Event meist nur ein geringfügig stärkeres Teil. Doch die Tatsache, dass nahezu jedes Auto im Spiel mit entsprechender Aufstockung auch bei späteren Events eine Chance hat, macht das Grinding wieder wett. Das ausführliche Tuning von optischen Details trägt zwar nichts zur Leistung der Wagen bei, erhöht aber den Individualisierungsgrad. Das Fahrverhalten kann nach Eingewöhnungszeit und Einstellungen überzeugen und die Upgrade- sowie Tuning-Möglichkeiten sind ebenso positiv hervorzuheben.
Optisch ganz selten hui, sonst eher pfui
The Crew ist kein besonders hübsches Spiel. Der Titel hat gelegentlich spektakuläre Landschaften zu bieten, doch der Großteil der Szenerien stellt mit matschigen Texturen keinen hübschen Anblick dar. Während die Fahrzeugmodelle durchaus detailliert präsentiert werden, ziehen die Umgebungstexturen den Gesamteindruck deutlich herunter. Auf einen beeindruckenden visuellen Moment folgen Minuten an mittelmäßigen, gelegentlich langweiligen Eindrücken. Ich will dem Spiel allerdings anrechnen, wie nahtlos die freie Spielwelt ausfällt. Ohne Ladezeiten kann die USA erkundigt werden und auch Popups von Objekten halten sich in Grenzen, obwohl Open World-Spiele oftmals unter diesem Problem leiden. Nahezu Menschenleere Metropole und diverse Grafikfehler gepaart mit den tristen Umgebungen ergeben ein ödes Gesamtbild, das sich auch vom selten aufblitzenden Augenschmaus nicht retten lässt. Akustisch ist The Crew Mittelmaß. Die Crash-Effekte wirken wuchtig und auch die Synchronsprecher machen im englischen Original wie auch in der deutschen Fassung einen passablen Job – mehr geben die eindimensionalen Figuren einfach nicht her, da hilft auch ein Troy Baker (z.B. Joel in The Last of Us) als Alex Taylor nicht viel. Der Soundtrack hat mir gefallen, auch wenn diese Angelegenheit von objektiver Natur ist. Über 7 Radiosender sind 120 Songs verteilt, die Rock, Pop, Hip Hop, Klassik und Elektro-Klänge bieten. Hier sollte theoretisch für jeden Geschmack etwas dabei sein.
Fazit
Die Spielwelt von The Crew ist einfach gigantisch und mit jeder Menge Inhalt gefüllt. Auch wenn das Fahrverhalten Eingewöhnungszeit benötigt, formen viele Einstellungsoptionen das Fahrgefühl zum überzeugenden Aspekt. Das Leistungs- und Optik-Tuning zieht mich als Racer-Fan in den Bann und auch die Online-Komponente hat mir Spaß bereitet, obwohl sie trotz Titel „The Crew“ erstaunlich seicht implementiert ist und eine nervige Online-Voraussetzung mitbringt. Grafik und Story inklusive Charaktere reichen maximal ans Mittelmaß heran, doch den Spielspaß stört das weniger. Die nach gewisser Zeit abflachende Abwechslung im Spielgeschehen ist für mich die größte Schwäche. Wer nichts von den Handlungssequenzen erwartet und sich auf einem riesigen, an Amerika orientierten Spielplatz auf vier Rädern austoben möchte, kann beherzt zugreifen.