Releasetermin: 29.08.2017
Medientyp: Download
Genre: Action-Rollenspiel, Beat’m Up
Entwickler: Sloclap
Herausgeber: Devolver Digital
Das Indie-Studio Sloclap, bestehend aus ehemaligen Entwicklern von Ubisoft Paris, hat vor rund zwei Jahren die Arbeit an Absolver angefangen. Als Martial-Arts-Titel mit Rollenspielelementen angedacht, hatte das Konzept durchaus Potential. Mit der Hilfe vom beliebten Indie-Publisher Devolver Digital kam das Spiel nun auf den Markt. Erfüllt Absolver sein Potential? Wir haben es herausgefunden.
Als erstes steht die Erstellung eines Kämpfers an. In einem Charaktereditor erstellen wir uns einen “Prospect”, haben dabei aber nicht allzu viele Freiheiten. Neben dem Geschlecht und der Frisur suchen sich Spieler einen von drei Kampfstilen aus. Viel Raum für Personalisierung bleibt nicht. Nach der Erstellung warten eine Reihe von Tutorials auf uns, die die Grundlagen erörtern. Dann geht es auch schon los! Eine wirkliche Story sucht man bei Absolver vergeblich. Wir finden uns in einer mysteriösen Zeremonie vor, in der wir als fähiger Prospect auserkoren werden, der das Zeug zum Absolver hat. Nach wenigen Minuten sind wir in der Spielwelt ausgesetzt – und haben lauter Fragezeichen im Kopf. Wieso liegt die Welt in Schutt und Asche? Was hat es mit den anderen Prospects auf sich, die es zu bekämpfen gilt? Der Titel lässt den Spieler über weite Strecken im Dunkeln über die Geschehnisse. Das mag für manch einen keine erfreuliche Nachricht sein, doch sorgt das Mysterium hinter der Spielwelt für eine durchaus interessante Atmosphäre.
Mit einer sehr seichten Erzählung baut Absolver natürlich umso mehr darauf, dass das Spielgeschehen den Spieler vollends in den Bann zieht. Im Mittelpunkt steht dabei das Kampfsystem, das eine angenehme Tiefe bietet. Hier hat mir am besten gefallen, dass Spieler sich im “Kampf-Deck” Kombos selbst zusammenstellen können. Mit insgesamt vier verschiedenen Haltungen, die gar mitten in einer Kombo gewechselt werden können, ergibt sich hier jede Menge Variation. Dutzende Angriffe warten darauf, vom Spieler freigeschaltet und ausprobiert zu werden. Es ist ein wirklich befriedigendes Gefühl, im Kampf-Deck mit den Möglichkeiten zu experimentieren und akribisch an den wirkungsvollsten Manövern zu arbeiten. Da nicht nur mit bloßen Händen gekämpft wird, sondern Nahkampfwaffen wie Schwerter und Handschuhe zum Einsatz kommen, ist die schiere Vielfalt an individuellen Angriffsmöglichkeit sicherlich die größte Stärke des Spiels. Hier blüht das Martial-Arts-Geschehen voll auf.
Die RPG-Elemente unterstützen das Kampfgeschehen gelungen. Jeder besiegte Feind wird mit Erfahrungspunkten belohnt. Mit jedem Aufstieg kann der Spieler eine Reihe von Werten wie die Stärke oder die Ausdauer aufwerten. Auch zusätzliche Kampf-Decks lassen sich verdienen, sodass wir mehrere Sets an zusammengestellten Angriffsmanövern parallel führen können. Auch die sogenannten Schulen tragen zum Langzeitspaß bei. Hier können die Prospects diverse neue Fähigkeiten und gar neue Kampfstile erlernen. Die Tiefe des Kampfgeschehens sorgt dafür, dass Prügelfans eine lange Zeit ihren Spaß mit der Entwicklung ihrer Figur und derer Fertigkeiten haben werden. Die Scherben sind ebenfalls ein nettes Feature. Diese sind an den Spielfortschritt gebunden und machen Spezialfähigkeiten möglich. Da es eine Weile dauert, bis diese nach Aktivierung tatsächlich ausgeübt werden und da die Scherbenkraft aufgebraucht wird, sollte man diese Fähigkeiten mit Bedacht einsetzen. Mit einer defensiven Spielweise, das heißt viel Blocken, Parieren und Ausweichen, laden sich die Scherben allerdings wieder auf. Mit dieser Mechanik zwingt Absolver seine Spieler dazu, im Kampf unterschiedliche Vorgehensweisen zu pflegen und sowohl offensiv als auch zurückhaltend defensiv zu spielen.
Weiter geht das Lob mit der Umsetzung von Ausrüstung. Gefallene Krieger hinterlassen Rüstungsstücke, die nicht nur für ein neues Aussehen sorgen, sondern auch die Werte unseres Prospects verändern. Hier gibt es zumeist aber nicht strikte Verbesserungen zu erleben, sondern halten sich Vor- und Nachteile der Teile oftmals die Waage. Eine offensiv stärkende Ausrüstung kann beispielsweise die Defensivkünste abschwächen. Auf diese Weise müssen Spieler einmal mehr mit Bedacht handeln und eventuell ein Risiko eingehen. Es gibt auch eine Handvoll Kleidungsstücke, die lediglich über positive Attribute verfügen. Der Fund solch eines Rüstungsteils stellt eine wahrlich belohnende Befriedigung dar! Absolver hat einige wirklich stimmigen Spielelemente, die wundervoll miteinander harmonieren und das Martial-Arts-Geschehen in ein sehr unterhaltsames Gewand hüllen.
Leider hat mir aber nicht jeder Aspekt an Absolver gefallen. Es gibt so einige Punkte im Spielgeschehen, die die hervorragende Basis für mich herunterziehen. Da wäre zum einen der Verzicht auf Tutorials für Mechaniken, die erst nach einiger Zeit eingeführt werden. Bei der Bekämpfung von Feinden wird ein Symbol angezeigt, das mir anfangs völlig fremd war. Erst nach mehreren Stunden erfuhr ich durch einen NPC, dass mit diesem Symbol der Fortschritt bei der Erlernung von neuen Angriffen dargestellt wird. Durch Blocken, Parieren oder rechtzeitiges Ausweichen von unbekannten Attacken lernen wir diese allmählich dazu. Wer im Kampf jedoch stirbt, verliert sämtlichen Fortschritt des erlernten Manövers. Während ich dieses Konzept an für sich recht spannend finde, war es doch etwas frustrierend erst nach mehreren Stunden beiläufig das Prinzip erläutert zu bekommen.
Auch die Verwaltung der eigenen Ausdauer ist prinzipiell eine schlüssige Idee. Allerdings scheinen nicht alle Gegner dieser Regel zu unterliegen. Die meisten KI-Feinde zeigen zwar ebenfalls nur eine begrenzte Ausdauer, doch können manche Gegner schier dutzende Angriffe am Stück ausführen, ohne spürbar an Ausdauer zu verlieren. Das kann ebenfalls für Frust sorgen und zieht manche Begegnungen unnötig in die Länge.
Die wohl größte Schwäche sehe ich aber in der Kamerasteuerung beim Kampf gegen mehr als einen Feind. Es ist oftmals unmöglich, beide Gegner gleichzeitig im Bild zu halten. Das führt dazu, dass viele Angriffe quasi “aus dem Nichts” von nahen KI-Feinden kommen, die wir schlicht nicht in unserer Perspektive unterbringen können. Der Wechsel des anvisierten Feindes funktioniert mehr schlecht als recht, was den Kampf gegen mehr als einen Opponenten zumeist zur nervigen Angelegenheit macht. Jegliche Vorteile des vielfältigen Kampfsystems gehen flöten, wenn wir regelmäßig von Angriffen aus dem Bildschirmrand unterbrochen werden.
Absolver hat ein weiteres Problem. Das Spiel legt großen Wert auf seine Online-Anbindung, allerdings spielen die Server bisher noch nicht so wirklich mit. In der Spielwelt sind nicht nur KI-Gegner unterwegs, sondern lassen sich immer wieder auch andere Online-Spieler entdecken. Wir können gemeinsam mit den anderen Prospects kämpfen – doch artet es häufig im PVP-Kampf aus. Dabei habe ich viele Verbindungsabbrüche erlebt: Mal mitten im Gefecht, mal bei der Annahme einer Einladung zum Rückkampf. Das nahm mir nach einigen Stunden den Spaß an den Online-Interaktionen. Großen Spaß hatte ich hingegen mit den 1vs1-Kämpfen. In gesonderten Arenen können Spieler im direkten Duell ihre Kräfte messen. Da der Fokus hier voll und ganz auf den Stärken des Spiels liegt, den weitreichenden Möglichkeiten im Kampf, spielten sich viele Gefechte sehr unterhaltsam. Zudem gibt es hier neue Ausrüstung zu verdienen, die Schul-Fähigkeiten werden hier ebenfalls aufgewertet. Auch dieser Modus blieb in meinem Praxistest nicht von Verbindungsproblemen verschont, doch bin ich mir sicher, dass diese Arena-Spielvariante eine große Fangemeinde finden wird, sofern die Online-Probleme serverseitig oder per Patches behoben werden. Dieses PVP-Segment wird in Zukunft gar auch noch 3vs3-Kämpfe per Update erhalten. Für diese Schlachten befürchte ich zwar einmal mehr Kamera-Schwierigkeiten, doch bin ich optimistisch, dass sich hier auch besonders spannende Wettkämpfe erleben lassen werden.
Die mysteriöse Art von Absolver wird durch eine stimmige Sounduntermalung und einen interessanten Grafikstil gestützt. Manche Umgebungen punkten durch beeindruckendes Design und auch die Figuren sind nett gestaltet. In vielen Bereichen präsentiert sich das Spiel nicht sonderlich detailliert oder scharf, doch die gute Beleuchtung macht das wieder wett. Das Spiel läuft in 1080p bei 30 Frames pro Sekunde, auch wenn sogar auf der PS4 Pro hin und wieder Einbrüche der Bildrate zu beobachten sind. Das ist ein wenig enttäuschend, schadet dem Geschehen zum Glück aber kaum. Entwickler Sloclap arbeitet an einem 60-FPS-Patch für die 1vs1-PVP-Kämpfe auf der PS4 Pro und ich hoffe sehr, dass dieses Update das Licht des Tages erblicken wird.