Releasetermin: 27.03.2017
Medientyp: Blu-ray Disc, Download
Genre: JRPG
Entwickler: Gust
Herausgeber: Koei Tecmo
Die Entwickler von Gust haben sich mit der Atelier-Serie eine beachtliche Fanbasis aufgebaut. So erscheint fast jedes Jahr ein neuer Teil der Serie, die im letzten Jahr mit Atelier Sophie erstmals auch auf der PS4 landete. Sophie läutete den Startschuss der “Mysterious”-Trilogie ein, die jetzt von Atelier Firis: The Alchemist and the Mysterious Journey fortgesetzt wird. Dabei wagen die Entwickler diesmal einige Schritte, die das Geschehen der Reihe ein wenig auf den Kopf stellen. Ist die Revolution gelungen oder verpasst der Titel die Chance, die Atelier-Marke auf eine neue Stufe zu hieven?
Erkundung der Außenwelt
Die Geschichte von Atelier Firis beginnt in Ertona – eine Stadt, die inmitten eines Gebirges von der Außenwelt abgeschirmt ist. Die meisten Bewohner der Stadt, inklusive Protagonistin Firis Mistlud, haben niemals das Vergnügen gehabt, die Welt in ihren freien Zügen zu bestaunen. Firis sehnt sich nach den farbenfrohen Landschaften, von denen sie bisher nur in Büchern gelesen und von ihrer Schwester Liane gehört hat, die des Öfteren auf Forschungsreisen geht. Da ihre Eltern den Ausflug ins Freie verbieten, sieht Firis keine Möglichkeit, auf Entdeckungstour zu gehen. Doch eines Tages öffnen sich die gigantischen Türen, die Ertona von der restlichen Spielwelt trennen.
Hinter dieser Aktion stecken Sophie und Plachta, die Hauptfiguren von Atelier Sophie. Da es sich hier um den zweiten Teil der “Mysterious”-Reihe handelt, zahlt es sich für Fans definitiv aus, den vorherigen Titel erlebt zu haben. Doch weitestgehend lässt sich das Geschehen auch von Laien verstehen, da kaum Hintergrundinformationen erforderlich sind. Sophie nimmt Firis unter ihre Obhut und beginnt, ihr die Geheimnisse der Alchemie beizubringen. Denn wer die Atelier-Reihe kennt, der weiß, dass sich die Geschichten hauptsächlich um die Kunst der Alchemie drehen. Das Ziel von Firis lautet also, eine anerkannte Alchemistin zu werden und ihren Eltern zu beweisen, dass sie die Reise in der Außenwelt überstehen kann. Dafür muss sie sich drei Empfehlungsschreiben von etablierten Alchemisten verdienen und eine Prüfung ablegen.
Gewohnt ruhige Stärken
Ihr merkt schon, dass Atelier Firis einmal mehr keine epische Heldenerzählung der Rettung der Welt bietet, sondern seine Geschichte zurückhaltend erzählt. Dabei helfen sympathische Charaktere, trotz der ruhigen Stimmung für Unterhaltung zu sorgen. Die Interaktion der Figuren ist gelungen und auch die Erkundung der Alchemie-Geheimnisse hat ihren Charme. Mir hat besonders gut gefallen, wie die Figuren des letzten Spiels sich in die Handlung einfügen. Sophie gibt die Rolle der Protagonistin an Firis weiter, was sich als tolles Konzept für einen direkten Nachfolger erweist. Insgesamt präsentiert sich die Geschichte leicht, aber durchaus gelungen. Da die Handlung an für sich nicht allzu viel her gibt, stellen die charmanten Figuren den Höhepunkt dar. Ein actionreiches Spektakel sollte man an dieser Stelle nicht erwarten, doch kann die Story mit ihrer lockeren Art punkten.
Spielerisch mit neuen Ideen
In dieser Hinsicht ist also noch alles beim alten. Doch traut sich Gust diesmal im Spielgeschehen auch an neue Elemente heran. Allen voran die offene Welt fällt hier sofort auf, die eine Neuheit für die Atelier Serie darstellt. Sobald wir den Heimatort von Firis verlassen, eröffnet sich eine recht große Welt, die frei erkundet werden kann. Das Spiel geht sogar so weit, dem Spieler fast schon zu viele Freiheiten zu überlassen. Wir können neben den Hauptmissionen auch viele Nebenaufgaben angehen. Diese werden von NPCs verteilt, die hauptsächlich in Städten anzutreffen sind. So hübsch manches Dorf auch inszeniert ist, hat mich gestört, dass das Spiel kaum Hinweise darauf gibt, welche Figur eine Mission bereit hält und welche nicht. Es gilt also, jeden einzelnen Charakter anzusprechen; jedes Haus zu betreten in der Hoffnung, der Inhaber könnte im Gespräch eine Quest offenbaren.
Prinzipiell spreche ich gerne mit möglichst vielen Figuren, doch haben so manche Charaktere schlicht keinen tollen Gesprächsstoff. Ich hätte mich also des Öfteren darüber gefreut, z.B. durch ein Symbol zu erfahren, ob eine Person eine Aufgabe aufgibt. Auch die Missionen selbst sind nicht ideal gelöst. Die Tätigkeiten finde ich grundsätzlich gut. Mal gilt es, spezielle Gegenstände ausfindig zu machen, mal bestimmte Monster zu besiegen oder mal besondere Alchemie-Tränke herzustellen. Doch konnte mich die Aufgabenstellung nicht immer überzeugen. Oft wird nur vage formuliert, was die Mission eigentlich vom Spieler erfordert. Zumeist werden Ziele und Hilfen nur angedeutet, nicht aber geradewegs ausgesprochen.
Das klingt auf dem Papier spannend und hat mich in einigen Fällen auch sehr gut unterhalten. Allerdings bin ich nicht selten auch planlos durch die Gegend geirrt, weil das Spiel nun einmal kaum klare Angaben macht. Auch der Blick in die umfangreiche Enzyklopädie half nicht immer. Allen voran bei der Suche nach bestimmten Items tat ich mich oftmals schwer. Während die offene Welt also nicht ohne Probleme auskommt, bringt sie aber auch gelungene Aspekte mit sich.
Alchemie als Spaß-Garant
Die Erkundung und Suche nach Gegenständen fällt nicht immer frustrierend aus. Die Areale sind recht groß und so bereitete mir das Abtasten jedes Winkels durchaus Spaß. Ebenfalls neu mit dabei ist die Möglichkeit, Bäume und Felsen auf versteckte Items abzusuchen. Physische Angriffe durch Waffen oder auch Bomben zerstören die Konstrukte und können hilfreiche Funde enthüllen. Auch hat es mich gefreut, dass das Alchemiesystem noch benutzerfreundlicher wurde. Mir gefällt die Übersicht besonders gut. Der Spieler erhält klare Angaben über die Nutzung der Alchemiekräfte.
Habe ich alle benötigten Ressourcen? Reicht mein Level zur Erstellung überhaupt aus? Muss ich die fehlenden Materialien finden oder per Synthesis selbst herstellen, bevor ich sie weiterverarbeiten kann? Wo in bisherigen Atelier-Teilen fast immer noch ein zusätzlicher Blick in die Enzyklopädie nötig war, wurde die Übersicht deutlich vereinfacht. Auch muss ich loben, dass der Alchemie eine Art Skillsystem verpasst wurde. Jedes Item kommt mit einem Skill-Level daher, das bei häufiger Erstellung des Gegenstandes erhöht wird. Dadurch können Spieler einem erstellten Item spezifische Skills zuweisen. Wie schon in den Vorgängern wird die Alchemie in einem Puzzle-Minispiel präsentiert. Da wir in Atelier Firis viel unterwegs sind, hat es mich gefreut zu sehen, dass die Synthesis auch unterwegs mit Hilfe eines mobilen Ateliers gelingt. Das Alchemiesystem wird mit jedem Spiel einfacher zu nutzen und nicht zuletzt spaßiger gestaltet. Der Fokus auf die Item-Synthesis stellt mitunter den Höhepunkt des JRPGs dar.
Simple, aber gelungen Gefechte
Doch kann auch das Kampfsystem überzeugen. In der Außenwelt wimmelt es nur so vor Monstern – die Sorge von Firis Eltern waren also fast schon berechtigt. Allerdings weiß die Protagonistin auf sich aufzupassen. Die Figuren, die Firis auf ihrem Abenteuer trifft und mitnimmt, sind ausgerüstet mit Zauberstäben, Pfeil und Bogen oder auch Nahkampfwaffen wie Schwertern. Neben Alchemie-Waffen kommen allen voran Fähigkeiten zum Einsatz, die entweder Schaden verursachen oder unsere Figuren temporär stärken. In einer Art rundenbasiertem Geschehen kommen Feinde und unsere Party gleichermaßen zum Zuge. Das Austauschen der Party wird simpel möglich gemacht, was insgesamt in einem soliden Kampfsystem resultiert. Die Gefechte sind zumeist spaßig und besonders Bosskämpfe können auch schon einmal spannend und fordernd sein. Zwar wird hier insgesamt eher leichte Kost geboten, doch passt diese Art gut zur ruhigen Geschichte.
Diesmal wieder mit Zeitlimit – allerdings gnädig umgesetzt
Atelier Firis kommt auch mit einem Element daher, das so manchen Spieler mit Sicherheit nicht allzu glücklich stimmen wird. Denn ist dem Geschehen ein Zeitlimit aufgesetzt, sodass die Zeit zum zentralen Aspekt wird. Firis hat 365 Tage Zeit, um ihre Alchemisten-Lizenz mit Bestehen der Prüfung zu erlangen. Die Zeit vergeht beim Erkunden, Kämpfen und Item-Erstellen, während es einen dynamischen Tag- und Nachtwechsel mit Wetterumschwüngen gibt. Ich war anfangs nicht begeistert von diesem System, doch ist mir schnell bewusst geworden, dass das Limit bei weitem nicht so knapp berechnet ist wie ich befürchtet hatte. Durch die Möglichkeit der Schnellreise können wir trotz Zeitverbrauch im Endeffekt jede Menge Zeit einsparen und auch sonst können wir uns grundsätzlich Zeit lassen, ohne mit Konsequenzen rechnen zu müssen.
Daran ändert auch das Konzept um die Lebenspunkte-Leiste nicht viel. Bei sämtlichen Tätigkeiten leert sich diese Leiste. Durch die Item-Synthesis und durchs Schlafen füllt sie sich wieder. Lassen wir sie hingegen leer werden, fällt Firis in Ohnmacht und verliert mehr Zeit als sie durch das manuelle Ausruhen verbraucht. Auf diese Weise wird dafür gesorgt, dass Spieler nicht auf stundenlange Gefechtsmissionen gehen, sondern zwischendurch auch eine Pause einlegen. Eine Designentscheidung, die mich anfangs verwundert hat, aber im Endeffekt dazu passt, dass Firis als Reise-Neuling schnell erschöpft ist. Solange Spieler die Protagonistin nicht ständig bis zum Umfallen kämpfen lassen, trägt auch diese Mechanik kaum zur Zeit-Problematik bei. Das Jahres-Limit lässt das finale Ziel der Prüfung etwas dringender wirken, aber hat es keine allzu große Auswirkung auf das Spielgeschehen.
Hübscher Stil, hässliche Texturen
Grafisch knüpft Atelier Firis gut an Vorgänger Sophie an. Der letzte Titel brachte die Atelier-Serie auf die PS4 und hatte hübsche Zwischensequenzen und detaillierte Figuren im Gepäck. Diesen Trend führt Firis fort, denn gibt es besonders in Story-Momenten eine optisch tolle Figur ab. Mir gefällt der visuelle Stil, der an Zeichnungen erinnert, sehr gut. Auch die Effekte im Kampf sind sehr schön inszeniert.
Leider aber hat man erneut die Spielwelt nicht allzu ansehnlich gestaltet. Hässliche Umgebungstexturen sind regelmäßig zu sehen, ebenso macht sich in der Ferne oft das fehlende Anti Aliasing unschön bemerkbar. Allerdings muss ich dem Titel zugutehalten, dass er anders als Sophie nun einmal eine offene Welt mit toll gestalteten Städten und manch wahrlich beeindruckender Landschaft bietet. Die Vielfalt in den Arealen ist gelungen, sodass die Enttäuschung über einige Grafik-Schwächen schnell vergessen war. Die schwächelnde Framerate ist mir da schon mehr ein Dorn im Auge gewesen, doch unterm Strich ist die Grafik solide und überzeugt allen voran durch den Zeichnungsstil.
Eine deutsche Sprachausgabe ist leider wie so oft nicht erhalten und auch deutsche Untertitel sucht man vergebens. Das dürften deutsche JRPG-Spieler mittlerweile aber gewohnt sein. Zumindest überzeugen sowohl die englische als auch die japanische Synchronisation, zwischen der wir frei wählen können. Auch der Soundtrack gefällt, auch wenn er in den Hintergrund tritt und nur selten auffällt.