Releasetermin: 31.08.2018
Medientyp: Blu-ray Disc, Download
Genre: Rollenspiel
Entwickler: Larian Studios
Herausgeber: Bandai Namco Entertainment
Fragt man Fans von westlichen RPGs nach ihren Lieblingsspielen der letzten Jahre, fällt neben The Witcher 3 häufig ein anderer Name: Divinity: Original Sin II. Die Entwickler von Larian Studios haben bereits mit dem ersten Spiel einen soliden Genrevertreter entworfen, der von seinem Nachfolger aber in allen Belangen übertroffen und von Kritikern in höchsten Tönen gelobt wird. Nun ist das Rollenspiel als “Definitive Edition” auch endlich für Konsolen erhältlich. Das nahm ich zum Anlass, mir das Spiel endlich mal genauer anzuschauen. Auf dem PC kam ich aus Zeitgründen bisher schlicht nicht über eine Spielstunde hinweg. Warum ich mich im Nachhinein nun ärgere, dem Titel nicht schon viel früher Zeit eingeräumt zu haben, und warum Divinity: Original Sin II – Definitive Edition in der Tat eins der besten Spiele in seinem Genre ist, erfahrt ihr in meinem Review.
Fantastische Figuren und fesselnde Konversationen
Divinity: Original Sin II spielt in der Welt von Rivellon, die vom Zerwürfnis von Göttlichkeit und Leere geplagt ist. Die entsetzlichen Leerenerwachten haben Rivellon besetzt und der Göttliche Orden glaubt, dass wir, der Protagonist, als so genannter Quellenmagier für das Auftauchen der Wesen verantwortlich sind. Es liegt an uns, die Welt von Rivellon von der Bedrohung zu befreien und und die Chance zu ergreifen, zum Göttlichen zu werden.
Die Geschichte ist in ihrer Prämisse klassische Fantasy-Kost, überzeugt jedoch mit einer qualitativ hochwertigen Umsetzung. Die Konversationen sind sehr fesselnd geschrieben und haben sowohl humorvolle als auch ernste Züge. Die vielen Textboxen könnte man dem Spiel negativ auslegen, in Sachen Präsentation hat der Titel also durchaus noch Luft nach oben. Da die Dialoge aber so gut geschrieben sind, habe ich mich persönlich wenig daran gestört und jede Zeile gebannt gelesen. Jeder Satz wurde vertont, noch dazu von brillanten englischen Sprechern, daher muss man nicht unbedingt Lust am Lesen mitbringen. Weil man auch im Tagebuch und durch die vielen Item-Beschreibungen dennoch einer Menge Text ausgesetzt ist, würde es aber nicht schaden.
Besonders gut gefallen hat mir, wie ausgestaltet sämtliche Nebenfiguren sind. Sowohl wichtige Wegbegleiter als auch vermeintlich unwichtige Dorfbewohner bringen interessante Merkmale mit sich. Die Probleme und Anliegen der Leute, die man unterwegs trifft, sind zumeist wirklich fesselnd und gestalten das Verfolgen von Nebenquests sehr unterhaltsam. Und auch die eigene Figur kommt mit einer spannenden Hintergrundgeschichte daher. Das ist zumindest der Fall, wenn man zu Beginn des Spiels einen der sechs Herkunfts-Charaktere auswählt. Alternativ hat man auch die Möglichkeit, völlig individualisierte Charaktere zum Leben zu erwecken. Die Optionen bei der Figurenkreierung sind überwältigend. Man hat nicht nur beim Aussehen viele Einstellungen zur Verfügung. Auch was Rasse und Klasse angeht, stehen die Spieler vor einer schwierigen Wahl.
Zudem geht es nicht nur darum, was man persönlich präferiert. Manche Figuren spielen sich besonders für Neulinge leichter bzw. kniffliger als andere. Untote werden zum Beispiel nur bedingt für Neueinsteiger empfohlen, weil diese nicht wie normale Wesen geheilt werden. Reguläre Nahrung und Heiltränke fügen einem Untoten z. B. Schaden zu. Auch müssen sie ihr Gesicht verdecken, da sie sonst an Ansehen verlieren. Dafür können sie Schlösser knacken, ohne auf Dietriche angewiesen zu sein. Die Wahl bzw. Erstellung eines Charakters ist also wie bei jedem vernünftigen RPG von immenser Bedeutung. Bei den verfügbaren Optionen wird sicherlich jeder Spieler fündig werden.
Große Spielwelt, viele Tätigkeiten und ein spannendes Kampfsystem
Schon früh zeigt sich, dass die Geschichte von Divinity: Original Sin II nur eine grobe Rahmenhandlung darstellt, die der Spieler durch seine Aktionen formen kann. Die Erkundung und die Entscheidungsfreiheit spielen eine große Rolle. Wir können selbst entscheiden, was wir als nächstes machen, welche Feinde wir angehen und welche Figuren wir als Verbündete aufnehmen. Dabei ergeben sich zahllose Aufgaben und Tätigkeiten, die der Spieler unterwegs angehen kann. Das Spiel ist ein klassischer Zeitfresser, bei dem man gerne einmal sein Ziel aus den Augen verliert und auf dem Weg plötzlich ganz anderen Sachen nachgeht.
Ebenfalls ein großer Bestandteil des Rollenspiels ist das rundenbasierte Taktik-Kampfsystem. Das Geschehen findet in isometrischer Sicht statt und ist stark abhängig von der Umgebung, die Spieler im Kampf ausnutzen können. Das trifft auf recht simple Elemente wie Ölfässer zu, aber auch auf kompliziertere Aspekte. So können Pfützen beispielsweise eingefroren werden, um Gegner ausrutschen zu lassen. Selbige Pfützen können außerdem verdampft werden, um durch die entstehende Dampfwolke die Sicht zu versperren. Den Spielern stehen in der Umgebung viele Möglichkeiten zur Kombination diverser Effekte zur Verfügung, was ein vielschichtiges und komplexes Kampfsystem ausmacht. Die Mischung aus traditionellen Nahkampfangriffen, magischen Fähigkeiten und den Umgebungselementen lassen erstaunlich viele Herangehensweisen für jeden Kampf zu. Dadurch ergibt sich ein forderndes, aber tolles Strategie-Kampfgeschehen, das sich qualitativ einwandfrei in zu den restlichen Komponenten des Titels gesellt.
Neuer Inhalt und Verbesserungen mit im Gepäck
Die Definitive Edition bringt das Spiel nicht nur erstmals auf Konsolen, sondern kommt auch mit einigen Neuerungen und Änderungen daher. Die Physik-Engine wurde leicht überarbeitet und führt dazu, dass die Ladezeiten an manchen Stellen verkürzt wurden oder dass einige Effekte im Kampf besser aussehen und der Hardware zeitgleich weniger abverlangen. Doch auch inhaltlich hat sich einiges getan.
Weil manche Fans Kritik am finalen Akt des Spiels geäußert haben, änderten die Entwickler von Larian Studios die Struktur von Akt 3. So stoßen weitere Gefechte zum Kapitel dazu, die das Geschehen des finalen Aktes ausbauen sollen. Zudem gibt es neue NPCs und Dialoge – ganze 250.000 Worte wurden neu eingesprochen. Auch die Kritik am Tagebuch-System hat man sich zu Herzen genommen und dieses, ebenso wie das Inventar-System, noch einmal überdacht. In Form eines zusätzlichen Schiffsdecks zu Beginn des Spiels hat es weiterhin ein neues Tutorial in den Titel geschafft, das allen voran die Grundlagen der Steuerung erklären soll. Noch dazu gibt es einen zusätzlichen Schwierigkeitsgrad. Dieser richtet sich an Spieler, die quasi kaum eine Herausforderung, aber zumindest die Story erleben möchte. Wer Divinity: Original Sin II auf dem PC bereits besitzt, erhält all diese Veränderungen der Definitive Edition per kostenlosem Patch nachgeliefert. Tolle Nummer, Larian Studios!
Steuerung so gut umgesetzt, wie es auf einem Controller möglich ist
Ich war sehr gespannt darauf, wie Larian Studios die Steuerung des Rollenspiels per Gamepad umsetzen würde. Zuvor hatte ich den zweiten Divinity-Teil nämlich nur mit Maus und Tastatur gespielt, wo ich über jede Taste, die ich belegen konnte, sehr dankbar war. Der Titel hat nämlich so sehr viele Aspekte, die in den Gefechten, aber auch außerhalb, eine Rolle spielen. Dabei möchte man gerne so gut es geht die Kontrolle über alle Möglichkeiten erhalten und die verschiedenen Micro-Management-Elemente auf die Schnelle zur Hand haben. Ich kann vorab schon einmal sagen, dass die Umsetzung der Controller-Steuerung solide gelungen ist. Die Tastenbelegung fällt logisch aus und bietet fast alle bekannten Möglichkeiten auch trotz der begrenzten Anzahl an Knöpfen. Vom PC kommend, musste ich mich zwar erst einmal an das Steuerungsschema gewöhnen und öffnete zunächst oftmals die falschen Menüs, um bestimmte Aktionen auszuführen.
Mit steigender Spielzeit prägte ich mir die Tastenzuweisung immer besser ein, sodass das Geschehen gut von der Hand ging. Stünde ich vor der Wahl, würde ich wieder zu Maus und Tastatur greifen. Insbesondere beim Inventar-System, das die Verteilung der gefundenen Objekte unter den Party-Mitgliedern möglich macht, kommt man mit dem Mauszeiger schlichtweg viel schneller zum gewünschten Resultat. Zudem habe ich Optionen wie beispielsweise das Schnellspeichern lieber auf einer separaten Taste auf der Tastatur verfügbar, als auf dem Controller dafür stets ins Menü gehen zu müssen. Wer aber sowieso lieber auf einem Pad spielt, erhält nichtsdestotrotz eine tolle Umsetzung, die auch einige Tricks auf Lager hat. So können Spieler die X-Taste gedrückt halten, um die unmittelbare Umgebung auf Loot abzuscannen und die verfügbaren Items auf einmal einzusehen.
Im Online- sowie Offline-Koop gemeinsam zum Erfolg
Was auf der Konsole aber unumstritten besser funktioniert als am PC, ist die Realisierung von Splitscreen-Koop. Zwei Spieler können vor einem PC, einer PS4 oder Xbox One den beliebten “Couch-Koop” erleben. Gemeinsam spielen sich die anspruchsvollen Gefechte gleich noch viel unterhaltsamer und auch die Erkundung fällt im Duo leichter aus. Als kooperatives Erlebnis hat mir Divinity: Original Sin II gleich noch besser gefallen. Wer das Spiel also mit einem Familienmitglied oder einem guten Freund spielen möchte, kann sich auf eine tolle Zeit freuen.
Larian hat auch an einen Online-Koop-Modus gedacht, der gleich vier Spieler gemeinsam auf Reise schickt. Aus meiner Erfahrung muss ich jedoch sagen, dass das Koop-Abenteuer mit einem oder mehreren Fremden nicht ganz so gut funktioniert. Ein Spiel mit derart vielen Entscheidungen und Freiheiten bedarf dann doch einer gehörigen Portion Zusammenarbeit und Absprache, was beim Spielen mit Fremden oftmals auf der Strecke bleibt. Im Online-Koop mit Freunden und Absprache über Headsets entfaltet sich der Spaß aber genauso wie in der Splitscreen-Variante. Darüber hinaus gibt es einen netten Arena-Modus, bei dem man in 4v4-Matches gegeneinander antritt.
Hübsche Grafik, doch leider auch hin und wieder mit Rucklern
Optisch kann die Konsolenfassung recht gut mit der PC-Version mithalten. Ich habe auf der PS4 Pro gespielt, die scharfe Texturen in einer dynamischen 4K-Darstellung bietet. Die liebevoll gestalteten Figuren und Umgebungen kommen gut zum Zuge. Die Beleuchtung fällt toll aus, was durch die Nutzung der HDR-Technik auf unterstützten TVs noch besser herüber kommt. Auch wenn das Spiel durch die isometrische Ansicht gelegentlich nicht ganz so spektakulär aussieht, hat es durchaus aufwendige Grafikeffekte in petto, die insbesondere während der rundenbasierten Kämpfe zum Vorschein kommen.
In diesem Aspekt kommt leider auch die größte Schwäche der PS4-Grafik zur Geltung. Durch die hübschen Partikeleffekte gibt es während des Spielens immer wieder Einbrüche der Framerate zu beobachten. Bei Angriffen, die große Flächen abdecken, ist dies häufig passiert. Das ist schade, da das Spiel auf PS4 und PS4 Pro sowieso nur mit 30 FPS läuft. Ich kann die Limitierung auf 30 Bilder pro Sekunde zugunsten hübscher Grafik verkraften, doch dass die Rucker und Einbrüche der Bildrate selbst auf der PS4 Pro keine Seltenheit sind, hat mich dann doch enttäuscht. Ich hoffe daher auf einen oder mehrere Patches, die zu einer besseren Performance führen.