Die Gamescom 2023 stand ganz im Zeichen der Soulslike-Spiele. Neben Lords of the Fallen, Lies of P und Black Myth: Wukong wurde mit Enotria: The Last Song ein weiteres Spiel des Genres ausgestellt. Die italienischen Entwickler von Jyamma Games machen keinen Hehl daraus, mit Enotria ein “Summer Souls” entwerfen zu wollen. Im Termin auf der Gamescom wurde mir erzählt, dass die Entwickler, welche zuvor an namhaften Spielen bei Ubisoft, CD Projekt RED und Techland mitgewirkt haben, allesamt Fans der Souls-Spiele von From Software seien. Mit Enotria möchte man, im Gegensatz zum düsteren Bloodborne, eine sonnige, farbenfrohe Welt schaffen, die dennoch ihre Geheimnisse und Gefahren birgt. Welche Besonderheiten sich die Entwickler ausgedacht haben und welche Rolle die italienische Herkunft des Entwicklerstudios dabei spielt, erfahrt ihr in meiner Vorschau.
Made in Italy – Folklore als Vorlage für die Story
Die Welt von Enotria: The Last Song ist einer italienischen Folklore nachempfunden. Es herrscht das sogenannte “Canovaccio”. Dabei handelt es sich um ein verwunschenes Schauspiel, das die Bewohner von Enotria in das Spielen einer vorherbestimmten Rolle zwingt. Der Spieler hat als “Maskenloser” die Aufgabe, die mächtigen Autoren des Canovaccio zu bezwingen, das Land von Enotria zur alten Schönheit zu führen und sich das selbstbestimmte Schicksal zu verdienen.
Das Spiel zeigt nicht nur inhaltlich seine italienische Herkunft. Weiterhin wurde mir erklärt, dass Enotria vollständig in Italien entwickelt wird und keine Komponenten an ausländische Kollegen outgesourct werden. Man sei stolz darauf, was Spieleentwickler aus den eigenen Reihen auf dem Kasten haben. Weiterhin wurde mir mitgeteilt, dass selbst unscheinbar wirkende Texturen im Hintergrund eng mit Italien verzahnt sind. So wurde mir eine Wandbemalung in einem Raum gezeigt, die von einem italienischen Künstler angefertigt und in Zusammenarbeit mit einem Museum ins Spiel gebracht wurde. Ich finde es spannend zu sehen, wie der italienische Stolz ins Spiel eingebunden wird.
Es bleibt abzuwarten, wie viel Substanz die Geschichte des Spiels letztlich bieten wird. Klassische Zwischensequenzen bekam ich beim Anspielen nicht zu sehen. Es scheint, als würde Enotria hier ähnlich wie in den Souls-Spielen seine Hintergrundgeschichte über die Spielwelt erzählen. Die Prämisse klingt interessant und ich bin gespannt, ob die Erzählung über die gesamte Spielzeit hinweg fesseln kann.
Typische Souls-Spielmechaniken als solides Grundgerüst
Das Spielgeschehen präsentiert sich Souls-typisch in Third-Person-Sicht. Das Moveset ist stark an die Vorlage von From Software angelehnt. Enotria steuert sich nicht ganz so präzise, das Laufen und Ausweichen (Rolle oder Quickstep) fühlt sich grundsätzlich schon recht gut an. Der Maskenlose kann jederzeit beim Erkunden und während des Kämpfens springen, was zudem für etwas mehr Mobilität sorgt. Schläge fühlen sich solide an, auch wenn das Trefferfeedback der Souls-Spiele unerreicht bleibt. Parriermanöver, die aneinander gekettet werden können, klingen vielversprechend. Hier kann ich bisher nur einen Ersteindruck abgeben, da ich das Gamepad lediglich für eine halbe Stunde in den Händen hielt.
Genretypisch dürfen reguläre Feinde nicht unterschätzt werden, sind meistens aber leicht zu durchschauen. Ich konnte auch einen Bosskampf ausprobieren, an dem ich mir hingegen die Zähne ausgebissen hatte. Obwohl ich in mehreren Versuchen nur einen Bruchteil der Lebensleiste ankratzen konnte, fühlte ich mich nach dem Ableben stets motiviert, einen weiteren Versuch zu wagen, was ein gutes Anzeichen für den Spielspaß ist. Was mir sehr gefallen hat: Direkt vor dem Schauplatz des Bosskampfes war ein Rastpunkt zum Respawn platziert. Zudem präsentierte sich der Titel in der Demo quasi frei von Ladesequenzen. Dadurch ist man wenige Sekunden nach dem Scheitern bereits im nächsten Versuch.
Personalisierung des Spielgeschehens durch Masken
Masken sollen nicht nur in der Story einen wichtigen Stellenwert einnehmen, sondern sind auch Dreh- und Angelpunkt des Gameplays. Anstelle von klassischer Ausrüstung stellt Enotria seine Spieler vor die Wahl der richtigen Maske. Jede Maske bringt einzigartige Vor- und Nachteile, die weiter verfeinert werden mit Talenten. Masken lassen sich im Kampf gegen Feinde sowie in Schatztruhen finden, Talentpunkte werden vermutlich durch das Aufleveln freigeschaltet. Ein Respec der Talente soll nicht notwendig sein, man soll diese frei vergeben können. Man möchte auf diese Weise extrem personalisierte Builds ermöglichen sowie die Experimentierfreude für verschiedene Spielweisen anregen. Es lassen sich drei Loadouts speichern, zwischen denen wir per Steuerkreuz jederzeit wechseln können. Dieses Konzept klingt auf dem Papier sehr vielversprechend. In meiner kurzen Zeit mit der Demo konnte ich das System nicht im Detail betrachten, freute mich allerdings bereits über die Möglichkeit zum Wechseln der drei durch die Entwickler vorgefertigten Builds.
Mit den Masken geht Elementarschaden einher. Masken bzw. Talente in diesen ermöglichen es, die Waffen des Maskenlosen mit bestimmten Elementareffekten zu versehen. Mir wurde erklärt, dass gewisse Feinde besonders schwach gegenüber bestimmten Elementen sind. Es lohnt sich also, in den drei Loadouts eine weite Riege an elementaren Angriffen parat zu haben. Weiterhin stellte man mir in Aussicht, dass die Elemente auch in der Umgebung des Spiels Verwendung finden. Der Entwickler hat mir von einem Sumpfgebiet erzählt, in dem sich das Moor auf Spieler und Feinde gleichermaßen auswirkt. Das Moor hat eine halluzinogene Wirkung und führt dazu, dass alle Figuren darin schneller sind. Als Resultat können Spieler ein verändertes und chaotisches Gameplay erleben. Ideen wie diese sollen auf das gesamte Spiel verteilt sein, um regelmäßig für Abwechslung im Spielgeschehen zu sorgen. Dazu kommt die Möglichkeit, Umgebungsschaden zu verursachen. An gewissen Stellen lassen sich Pfeiler oder Bodenplatten zerstören und somit Gegner begraben.
Erkundung und Aufdecken von Geheimnissen durch geheime Kraft
Der Maskenlose ist mit der “Kraft von Ardore” ausgestattet. Diese erlaubt es ihm, die Realität in der Welt von Enotria zu verändern. In der Gegend finden wir Stellen, an denen wir diese geisterhafte Kraft nutzen können. Dadurch werden beispielsweise unsichtbare Plattformen sichtbar, zerstörte Brücken wieder begehbar und neue Wege möglich. Es wird Rätsel rund um diese Umgebungszustände geben, ebenso lassen sich durch die Kraft Geheimnisse aufdecken. Im Gespräch wurde mir beschrieben, dass man großen Wert darauf legt, dass nicht zwangsläufig jeder Spieler das gleiche Erlebnis haben wird. Je nach Nutzung der Ardore-Kraft ändert sich die Spielwelt und auch das Spielgeschehen. Es soll drei Endvarianten geben, wovon eine recht verborgen sein und gar einen geheimen Bosskampf bieten soll. Man sei sich bewusst, dass nur wenige Spieler alle Inhalte sehen werden, möchte aber diejenigen würdigen, die jeden Winkel des Spiels erkunden.
Trotz eines vergleichsweise geringen Budgets möchte man eine Spielzeit von durchschnittlich 15 bis 20 Stunden bieten. Zur technischen Umsetzung stützen sich die Entwickler auf die Unreal Engine 5. Das Spielgeschehen sah in der Demo recht hübsch aus, die Performance wirkte solide. Es bleibt zu hoffen, dass dies zu Release auf alle Plattformen zutreffen wird.
Vorläufiges Fazit
Fans von Soulslike-Spielen sollten sich Enotria: The Last Song auf die Merkliste schreiben. Das Action-RPG ließ auf der Gamescom durchblicken, dass es noch Feinschliff benötigt. Doch die Ideen, welche die italienischen Entwickler hier einbringen wollen, lassen mich optimistisch zurück. Die Spielmechaniken im Kampf wirken grundsolide. Das System um Masken und integrierte Talente als Entscheidungsfaktor für Aussehen, Schaden, Verteidigungswerte und Fähigkeiten klingt erfrischend. Die Bereitstellung von drei vollständigen Loadouts, welche sich selbst im Kampf jederzeit wechseln lassen, ist ein Feature, das ich gerne häufiger sehen würde. Auch die Beeinflussung der Umgebung zum Aufdecken neuer Wege und Geheimnisse stelle ich mir unterhaltsam vor. Schlussendlich muss sich zeigen, ob die ambitionierten Systeme gut funktionieren und miteinander harmonieren werden. Zudem ist offen, wie viel Substanz die Geschichte von Enotria bieten und wie die technische Umsetzung mit der UE5 aussehen wird.
Soulslike-Innovation made in Italy: Ich bin gespannt, was die Vollversion von Enotria: The Last Song im kommenden Jahr bieten wird. Das Spiel ist für PC, PS5 und Xbox Series S|X geplant. Einen konkreten Releasezeitraum hat Jyamma Games bisher noch nicht kommuniziert.