Releasedatum: 06.03.2025
Medientyp: Download
Genre: Visual Novel, Sci-Fi, Romance
Entwickler: KID / MAGES.
Herausgeber: Spike Chunsoft
Mit Ever 17 – The Out of Infinity und Never 7 – The End of Infinity bringt Spike Chunsoft zwei Remaster bekannter Visual Novels heraus. Die beiden Titel, die Teil der Science Fiction „Infinity Series“ sind, entstanden Anfang der 2000er beim Entwicklungsstudio KID unter Leitung des Designers und Autors Kotaro Uchikoshi, der später mit der Zero Escape-Reihe (Nine Hours, Nine Persons, Nine Doors; Virtue’s Last Reward; Zero Time Dilemma) noch größere Erfolge feiern sollte. Die Spiele der Infinity-Serie kannte ich bisher nur vom Namen, von Uchikoshi’s Zero Escape-Werken bin ich hingegen großer Fan. Daher blickte ich mit Spannung der Veröffentlichung der modernisierten Fassungen von Ever 17 und Never 7 entgegen.
Ever 17 – The Out of Infinity und Never 7 – The End of Infinity sind jeweils separat (Ever 17 für 29,99€, Never 7 für 19,99€) oder im Doppelpack zum Preis von 44,99€ erhältlich. Auch wenn die beiden Titel einer Reihe angehören, handelt es sich nicht um direkt aufeinander aufbauende Spiele. Vereinzelte Gemeinsamkeiten gibt es, die Spielern beider Titel auffallen werden. Dennoch lassen sich beide Werke unabhängig voneinander erleben, ohne dass man Etwas in der Geschichte verpassen würde. Dass die Titel voneinander losgelöst sind, unterstreicht auch die Tatsache, dass mit Remember 11: The Age of Infinity der dritte Ableger der Infinity-Reihe kein Remaster erhalten hat. Das finde ich schade, da ich der Vollständigkeit halber gerne alle Titel erlebt hätte. Nach dem Spielen von Ever 17 und Never 7 habe ich nun aber nicht das Gefühl, dass mir nun noch ein Teil der Geschichte fehlt.
Unterschiedliche Erlebnisse aus der Feder von Uchikoshi
Im Nachfolgenden möchte ich zunächst gesondert auf die Erlebnisse eingehen, die Never 7 und Ever 17 bieten. Never 7 ist eine Art Dating Sim, driftet aber trotzdem immer wieder ins Übernatürliche ab. Da der Titel aus der Feder von Uchikoshi stammt, sollte dies insbesondere Kennern der Zero Escape-Reihe oder den AI: The Somnium Files-Spielen nicht überraschen. Ever 17 stellt romantische Aspekte deutlich in den Hintergrund und widmet sich primär einer mysteriösen Geschichte mit vielen spannenden Wendungen. Das hat auch dazu geführt, dass mir die Werke sehr unterschiedlich gefallen haben.
Was beide Spiele vereint, ist das Fehlen von traditionellem Gameplay. Während Titel wie die Danganronpa-Serie, die Ace Attorney-Spielen oder Ushikoshis Zero Escape-Reihe kreative Rätsel-Komponenten bieten, wird hier ausschließlich gelesen. Spieler können hin und wieder Entscheidungen treffen, die den Ausgang der Story mal mehr, mal weniger beeinflussen. Andere Gameplay-Mechaniken sucht man hier vergeblich. So gestalten sich Never 7 und Ever 17 wie interaktive Bücher, die mithilfe passender Grafiken, Hintergrundmusik und japanischer Stimmen vermittelt werden.
Never 7 als romantische Slice-of-Life Visual Novel mit Überraschungen in der Handlung
Never 7 spielt in einem Sommerlager über den Zeitraum von einer Woche. Makoto Ishihara ist ein durchschnittlicher Collegestudent, der bei seinen Lerninhalten etwas hinterherhinkt. Um seine Leistungen zu verbessern, wird ihm geraten, mit anderen Studenten in den Urlaub zu fahren und in einem entspannten Umfeld seinen Rückstand aufzuarbeiten. Eine entspannte Atmosphäre bietet sich jedoch nur bedingt. Der Protagonist wird von einem höllischen Albtraum verfolgt, der sich nach einiger Zeit zu bewahrheiten scheint…
Ich möchte nicht vorwegnehmen, welche Überraschungen Never 7 für seine Leser bereithält und versuche daher möglichst wenig über die Geschichte zu berichten. Doch auch wenn Spieler schon früh mit mysteriösen Sci-Fi-Aspekten konfrontiert werden, ist Never 7 in erster Linie ein romantisches Visual-Novel-Spiel. Es enthält viele verrückte Wendungen, die man von Werken des Autors erwartet, ist jedoch im Vergleich zu den anderen Spielen von Ushikoshi über weite Teile ruhiger. Der Titel folgt zunächst einer „gemeinsamen Route“ mit verschiedenen Entscheidungen, die mehrere Charaktere betreffen. Makoto hat hauptsächlich mit weiblichen Kommilitonen zu tun, worin sich die romantische Ausrichtung der Story erklärt. Nach der übergreifenden Route erleben Spieler anschließend abzweigende Charakter-Routen, in denen Makoto die anderen Charakteren näher kennenlernt.
Da ich persönlich kein Fan von romantischen Visual Novels bin, konnte Never 7 bei mir auch nur bedingt punkten. Es gibt durchaus spannende Handlungsstränge und auch einige Slice-of-Life-Abschnitte konnten mich mit Humor gut unterhalten. Dem „Dating“-Aspekt konnte ich jedoch wenig abgewinnen. Die übergreifende Geschichte kommt phasenweise nahezu zu einem Stillstand und geht nur sehr träge voran. Darüber hinaus macht Never 7 nicht viel falsch; es gehört schlicht einem Visual-Novel-Genre an, das ich nicht so besonders gerne lese. Never 7 bietet eine Spielzeit von rund 20 Stunden.
Ever 17 mit einer der besten Geschichten, die ich in Videospielen bisher erlebt habe
Die Geschichte in Ever 17 präsentiert sich als Sci-Fi-Thriller in der nahen Zukunft. Protagonist Takeshi hatte das Glück, ein Gratis-Ticket für das “LeMU” zu ergattern. Dabei handelt es sich um einen riesigen, tief unter Wasser liegenden Freizeitpark, der unter einer künstlichen Insel erschaffen wurde. LeMU erfreut sich großer Beliebtheit als angesagtes Urlaubsziel, das neben Fahrgeschäften auch Einkaufsmöglichkeiten und Restaurants bietet – das alles in den Tiefen des Ozeans. Der Park wirbt mit ausgetüftelten Sicherheitsmechanismen, die ihr Versprechen aber nicht halten sollen.
Plötzlich bricht Chaos aus. Türen schließen und verriegeln sich, verheerende Mengen an Wasser beginnen, die Gänge und Hallen zu fluten. Takeshi sowie einige Mitarbeiter und andere Parkbesucher überleben den Vorfall und finden sich alleine im verlassenen Unterwasserpark wieder. Die Gruppe versucht, Informationen darüber zu sammeln, was vor sich geht, und erfährt, dass der Wasserdruck die Reste des Unterwasserkomplexes in etwas mehr als einer Woche zerstören wird. Die Geschichte dreht sich primär um das Überleben, doch genauso gilt es, verschiedene Geheimnisse um den Schauplatz LeMU und um die mysteriösen Charaktere zu lüften. Angst, Hoffnung, Vertrauen und Misstrauen sind zentrale Beweggründe, die Ever 17 gelungen präsentiert.
Ever17 teilt die Erzählung zunächst zwischen zwei Protagonisten auf: Takeshi, einem recht generischen Hauptcharakter, und einem „Kid“, das unter Amnesie leidet und nicht weiß, wer es ist und wie es nach LeMU kam. Das Treffen von Entscheidungen führt dazu, dass sich mehrere Handlungsstränge in Form von Routen ergeben, die in unterschiedlichen Enden resultieren können. Zum Verständnis der Geschichte reicht das Erreichen eines Endes keineswegs aus. Informationen werden in kleinen Häppchen geliefert und man muss die Geschichte mehrmals aus unterschiedlichen Perspektiven durchspielen, um alle Geheimnisse zu lüften.
Es gibt zahlreiche lange Abschnitte ohne Interaktivität, die bewirken, dass die Erzählung in Ever 17 sich phasenweise etwas zäh gestaltet. Der Auftakt ist recht brachial und zog mich direkt in seinen Bann, doch darauf folgen mehrere Stunden an Erzählung, die eher unspektakulär ausfallen. Der Titel nimmt sich die Zeit, seine Charaktere und Spielwelt aufzubauen und mit Leben zu füllen. Besonders interessant fand ich Erklärungen von wissenschaftlichen Phänomenen, die im direkten Zusammenhang mit dem Aufbau des Unterwasserparks stehen. Die “Science”-Komponente kommt in diesem Sci-Fi-Abenteuer nicht zu kurz. Wenn ich hingegen zum wiederholten Male lesen muss, dass die Figuren ein leckeres Chicken Sandwich verspeisen, würde ich die Szenen hingegen am liebsten überspringen.
All diese Längen sind vergessen, sobald die Handlung Fahrt aufnimmt. Ever 17 hat einige absurde, aber höchst unterhaltsame und spannende Wendungen auf Lager, die mich vor den Bildschirm fesselten wie es kaum eine andere Videospielgeschichte bisher schaffte. Als Zero Escape-Fan muss ich anmerken, dass hier sich einige Konzepte wiederfinden, die Autor Ushikoshi in seinen späteren Titeln in ähnlicher Form umsetzte. Wer mit den Werken vertraut ist, wird von einigen Wendungen daher vielleicht nicht ganz so überrascht sein wie Spieler, die bisher noch keine Ushikoshi-Geschichte erlebt haben. Doch auch mit Vorahnungen über einige Wendungen, die sich letztlich bewahrheiten sollten, hatte Ever 17 viele Überraschungen für mich in petto, welche die Geschichte und ihre Auflösung für mich sehr besonders gestalteten.
Mit einer Spielzeit von etwa 30 Stunden fällt Ever 17 etwas umfangreicher als Never 7 aus, was auch den höheren Preis gerechtfertigt. Die Spielzeit ist abhängig von den erlebten Routen und Enden. Wer einen Guide mit den optimalen Entscheidungen folgt, wird möglicherweise schneller durch das Erlebnis kommen. Wer hingegen unvoreingenommen an den Titel herangeht und intuitiv Entscheidungen trifft, damit auch mehr optionale „Dead Ends“ erlebt, blickt womöglich gar 40+ Stunden entgegen.
Story-Änderungen im Vergleich zum Original ohne negative Auswirkung
Never 7 stammt ursprünglich aus dem Jahr 2000, Ever 17 folgte zwei Jahre später in 2002. In 2011 veröffentlichte Mages., damals noch unter dem Namen 5pb. bekannt, ein Remake von Ever 17 für die Xbox 360 in Japan. Diese Version bot erstmals 3D-Artworks der Charaktere und nahm Änderungen an der Geschichte vor. Für das Remaster wurde die Xbox 360-Version als Grundlage genommen. Die 3D-Character-Arts wurden jedoch gestrichen, sodass die 2D-Figuren aus dem Original genutzt wurden.
Das geänderte Skript der Xbox 360-Version hat es allerdings in das Remake geschafft. Diese Tatsache enttäuschte einige Fans der Spiele, da die Änderungen an der Geschichte nicht von allen Fans des Originals positiv aufgenommen wurden. So sind einige Storystränge implementiert, die Spieler*innen eine Vorahnung auf kommende Wendungen geben sollten. Damit wurde vermeintlich der Überraschungsfaktor einiger Twists vermindert. Als jemand, der mit dem japanischen Original nicht vertraut ist, ist mir dieser Umstand beim Lesen jedoch nicht negativ aufgefallen. Wer im Vorfeld also ähnliche Bedenken über die Remaster-Fassung gelesen haben sollte, kann sich auf das Geschehen einlassen, ohne befürchten zu müssen, dass die Änderungen der Geschichte geschadet haben. Die neue Version von Never 7 hingegen basiert auf der ursprünglichen Fassung aus 2000, sodass hier keine Änderungen am Skript vorgenommen wurden.
Durch Tippfehler und suboptimale Übersetzung büßt das Remaster Qualität ein
Während mir die veränderten Storyaspekte in Ever 17 also nicht negativ aufgefallen sind, muss ich dennoch die technische Umsetzung der Remaster-Versionen erwähnen. Da wäre zum Einen die Tatsache, dass die Hintergründe in den Originalfassungen im 4:3-Format vorlagen. Für das Remaster wurden diese auf 16:9 angepasst, dabei wurden Bildinhalte oben und unten abgeschnitten. Das ist für mich wahrlich kein K.O.-Kriterium. Dennoch finde ich, dass man diese Umsetzung besser gestalten kann. Warum wird nicht auch das 4:3-Original beigefügt, sodass Spieler zwischen den beiden Formaten wählen können?
Zum Anderen ist die englische Übersetzung des Spiels nicht frei von Fehlern. Recht früh sind mir sowohl in Never 7 als auch in Ever 17 offensichtliche Tippfehler, falsch gesetzte Kommas und falsche Groß-/Kleinschreibung aufgefallen, was nicht gerade dafür spricht, dass die Texte einer angemessenen Qualitätskontrolle unterzogen wurden. Auch einige Ungereimtheiten in der Übersetzung fallen auf. Ohne das japanische Original zu kennen, fällt es schwer, Schwächen in der Übersetzungen zu identifizieren. Trotzdem gab es immer wieder Momente, in denen ich Inkonsistenzen in der Übersetzung feststellen konnte. Die Mängel in der Übersetzung führten letztlich nicht dazu, dass mein Spaß an den beiden Spielen getrübt wurde. Schade ist es dennoch, dass die neuen Versionen für den westlichen Raum nicht frei von Fehlern sind.
Klassische Features des Mediums gut umgesetzt
Die beiden Visual Novels kommen mit dem üblichen Funktionsumfang daher, um das Lesen so angenehm wie möglich zu gestalten. Text kann im „Auto Mode“ der Reihe nach über den Bildschirm laufen, ohne dass weiterer Input zum Voranschreiten des Textes notwendig wäre. Es gibt Einstellungsmöglichkeiten, um die Geschwindigkeit des Auto Mode zu regulieren. Alternativ kann Text per Tastaturanschlag oder Mausklick auf der PC sowie per Bewegung eines Analogsticks oder Facebuttons auf einem Controller weitergeschaltet werden. Auf Handheldgeräten mit Toucheingabe wie Steam Deck oder Nintendo Switch lässt sich der Text auch per Bildschirmberührung fortführen. Die Transparenz des Feldes, in dem der Text erscheint, lässt sich nach Belieben anpassen. Ebenso kann die Lautstärke der japanischen Stimmen, der Hintergrundmusik sowie der Soundeffekte unabhängig voneinander konfiguriert werden. Die Möglichkeit zum automatischen Speichern nach jeder Szene oder nach jeder Entscheidung rundet den soliden Funktionsumfang ab.
Tolle japanische Sprecher und ein Soundtrack, der die Atmosphäre gelungen unterstreicht
Mir fällt es schwierig, die Leistung von japanischen Sprechern zu beurteilen, ohne das Gesprochene verstehen zu können. Hier ergibt sich für mich allerdings ein stimmiges Bild. Auch ohne die Texte verstehen zu können, fühlt sich die Umsetzung genau richtig an. Die Umsetzung einer englischen Synchronisation hätte ich begrüßt, doch da mir das japanische Original sehr gut gefällt, hält sich meine Enttäuschung über fehlende englische Stimmen in Grenzen. Auch deutsche Texte fehlen hier. Aufgrund des Nischendaseins des Genres bin ich davon aber kaum überrascht. Visual Novels mit deutschen Texten bleiben leider Mangelware. Toll finde ich in beiden Spielen den Soundtrack, der zur Begleitung der Texte im Hintergrund zu hören ist. Zwar stechen die musikalischen Werke an sich nicht sonderlich hervor. Jedoch passen die Klänge so toll zur Atmosphäre, welche die Erzählungen aufbauen, dass der Soundtrack eine aktive Rolle bei der Vermittlung der Stimmung spielt.