Auf der Gamescom 2025 durfte ich in Hell is Us von Publisher Nacon und Entwickler Rogue Factor einen Abschnitt spielen, der in Kapitel 2 unmittelbar nach dem Ende der öffentlich verfügbaren Demo ansetzt. Nach einer kurzen Einweisung, dass ich als Protagonist Rémi auf der Suche nach den verschollenen Eltern in ein vom Bürgerkrieg zerrissenes Land mit übernatürlichen Kreaturen ziehe, ging es direkt los für mich. Mir eröffnete sich ein Moorgebiet bei schummrigen Nachthimmel und Mondschein. In der Ferne zeigten sich zwei Sehenswürdigkeiten: Eine pulsierende, übernatürliche Kugel aus schwarzer Materie, die bedrohlich auf mich wirkte, sowie ein Dorf, das auf einem Hügel mit gemütlichen Lichtern auf sich aufmerksam machte. Das Dorf erschien mir das bessere Ziel und der Entwickler, der mir in meiner Session Unterstützung bot, bestätigte, dass ich in der Tat in diese Richtung aufbrechen muss.
Die Kunst des intuitiven Reisens
Das Spiel liefert allerdings keine konkreten Aufforderungen, bestimmte Orte zu bereisen. Hell is Us verfügt nicht über die Anzeige einer Karte oder eine Liste an Aufgaben. Ein einfacher Kompass befindet sich im Arsenal des Protagonisten, dieser wird jedoch keine farbliche Markierung über mögliche Zielorte anzeigen. Wenn in einem Gespräch eine Richtung vorgegeben wird, beispielsweise dass eine gesuchte Person nach Norden gereist ist, soll intuitiv der Kompass ohne weitere Hilfe zum Ziel führen. Damit möchte Hell is Us erwirken, dass Spieler der Umgebung und den Konversationen mit den NPCs eine größere Beachtung schenken. Auch ohne Bestätigung des Entwicklers, dass ich das Dorf aufsuchen muss, hätte ich dieses Ziel durch ein beleuchtetes Schild ohnehin indirekt vorgegeben bekommen. Wer rasant durch ein Level sprintet, mag diese Hinweise gerne einmal übersehen.
Mit hinreichend Konzentration und Aufmerksamkeit ließen sich diese Umgebungshinweise in der Demo vor Ort recht zuverlässig bemerken. Ob nicht dennoch Frustpotenzial besteht, da Hell is Us keinerlei Hilfestellung bietet, wird sich zeigen. Mir persönlich hat diese Freiheit in der Gamescom-Demo zumindest sehr gut gefallen.
Sterben ohne Strafe
Auf dem Weg zum Dorf traf ich auf übernatürliche Wesen im Moor und lernte das Kampfsystem kennen. Hier wurde ich umgehend an das Souls-Genre erinnert, da Rémi über einen Ausweichschritt und ein Manöver zum Parieren verfügt. Ich lernte einfache Angriffskombos mit einem Schwert kennen und verstand schnell, dass ich hingegen auch das Angriffsmuster der Feinde beobachten musste, um Schaden zu vermeiden. Das Stamina-Management erinnert ebenfalls an die beliebte Souls-Reihe.
Schnell zeigte sich mir jedoch auch, dass Hell is Us wahrlich nicht so gnadenlos ist wie die Spiele von From Software. Zum einen schien das Zeitfenster zum Parieren recht großzügig, zum anderen machten Feinde auch nicht ganz so viel Schaden. Auch gibt es verschiedene Schwierigkeitsoptionen, die sich bei Bedarf anpassen lassen. Weiterhin verlieren Spieler beim virtuellen Ableben keinen Fortschritt. Es gibt keine Seelen oder ähnliche Währungen, die am Ort des Todes zurückbleiben. Sämtliche Funde und Erkenntnisse bleiben erhalten. Ein Tod ist gar in die Story eingebunden. Der Hauptcharakter erzählt seine Geschichte wie in einem Interview bzw. einem Verhör und interveniert bei einem Tod, kommentiert sinngemäß: “Nein, so war es nicht, es ist anders abgelaufen” – eine sehr charmante Lösung!
Kampfsystem mit Luft nach oben
Das Kampfsystem konnte mich in der kurzen Session nur bedingt überzeugen. Der Charakter steuerte sich zwar präzise und so gingen die Manöver gut von der Hand. In den wenigen Feindesbegegnungen blieb das Kampfgeschehen allerdings recht simpel. Eine Drohne, welche die Gegner ablenken kann, soll mehr Tiefgang in das Kampfgeschehen bringen. In der Demo habe ich für die Drohne allerdings nicht häufig einen Einsatz gefunden. Mir ist bewusst, dass es sich um einen frühen Spielabschnitt handelt. Daher habe ich die Hoffnung, dass das System noch etwas komplexer und ausgetüftelter wird und sich die Kämpfe nicht schnell abnutzen.
Gespräche als Schlüssel zur Welt
Im Dorf angekommen, wurde mir das umfangreiche Dialogsystem vorgestellt. NPCs können angesprochen werden: entweder zu allgemeinen Themen zur Spielwelt oder mit konkreten Fragen, die für Rémi eine Bedeutung haben. Manche Figuren entpuppen sich als äußerst redselig und so werden viele neue Dialogoptionen verfügbar, wenn das Gespräch angestimmt wurde. Andere Figuren sind hingegen wortkarg und reden nur wenig, liefern womöglich aber ebenfalls wichtige Hinweise. Obwohl Hell is Us dem Spieler hinsichtlich der Erkundung und Bewältigung von Aufgaben nur wenig Hilfestellung anbietet, gibt es immerhin ein System, um Charaktere in der Spielwelt zu katalogisieren. Über ein Tablet, in dem auch die Ausrüstung von Rémi verwaltet wird, kann eine Art Spinnennetz an Beziehungen aufgerufen werden, das bei Erlangen neuer Informationen fortlaufend erweitert wird. Die Konversationen schienen in meiner Sitzung toll in englischer Sprache vertont zu sein. Auf Nachfrage bestätigte man mir, dass weiterhin noch eine französische Sprachausgabe enthalten sein wird. Für alle anderen gängigen Sprachen gibt es übersetzte Texte.
In meinen Gesprächen mit den Dorfbewohnern wurde mir ein weiteres Beispiel dafür gezeigt, wie Hell is Us eine Belohnung für ein aufmerksames Spielen leisten möchte. Es wird Nebenquests geben, die nicht explizit ausformuliert werden. Ein Musiker erwähnt beiläufig im Gespräch, dass er ein Stück spielt, das seinen Zuhörern nicht gefällt. Mir wurde mitgeteilt, dass sich im weiteren Verlauf des Spiels Notenblätter finden lassen, die wir dem Musiker geben können. Dieses Konzept finde ich wirklich gelungen und ich bin gespannt, wie einfach sich solche Aufträge und Wünsche herauslesen und erfüllen lassen.
Erkundung mit Rahmen
Auskunftsgemäß soll die Lösung solch einer versteckten Nebenaufgabe niemals weit entfernt, sprich nicht erst Stunden später zu finden sein, wenn man die Begegnung mit dem NPC längst vergessen hat. Das liegt auch daran, dass Hell is Us keine große offene Welt bieten wird. Stattdessen präsentiert es kapitelweise Gebiete, die mal eher geradlinig, mal etwas größer ausfallen und einen Anlass zum Erkunden liefern, aber eben keine vollständig offene Welt. Auf diese Weise möchte man die Freiheiten nicht zu sehr ausufern lassen. Hingegen soll sich dadurch besser steuern lassen, welche Dinge Spieler als nächstes erledigen sollen.
Weniger als eine halbe Stunde konnte ich mit Hell is Us verbringen und wahrlich nicht alle Fragen klären, die ich vor der Session hatte. Dass ich aber umgehend weiterspielen möchte, deute ich als sehr gutes Zeichen. Mit einer schicken Grafik und einer düsteren Atmosphäre hat mich das Spiel neugierig gemacht. Die gebotene Freiheit in der Erkundung und Missionsbewältigung hat mich hingegen so richtig angefixt. Wenn es das Spiel schafft, frustrierende Hilflosigkeit und planloses Umherwandern zu vermeiden und das Kampfgeschehen über den Spielverlauf noch etwas mehr Tiefgang bekommt, könnte Hell is Us ein toller und besonderer Titel werden.