Das FPS-Genre gehört zu den Favoriten vieler Spieler. Nicht nur Call of Duty oder Battlefield verbuchen Jahr für Jahr Millionenverkäufe und beweisen, dass First-Person-Shooter wahnsinnig beliebt sind. Mit der Ankunft von Virtual Reality für Konsumenten fragten sich daher viele Spieler, wie das Genre für Head-Mounted-Displays umgesetzt werden kann. Denn auch wenn Motion Controller sich perfekt als Waffen-Imitation eignen, gibt es in VR ganz andere Probeme wie beispielsweise die Thematik der Fortbewegung. Auf dem PC und HTC Vive zeigt Hover Junkers von Stress Level Zero nun eindrucksvoll, wie ein toller First-Person-Shooter mit Fokus auf Online-Schlachten in Virtual Reality aussehen kann.
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Das Konzept von Hover Junkers steht unmittelbar in Verbindung mit dem Vorhaben, Spielern ein möglichst angenehmes Erlebnis zu bereiten. Wir stehen auf einer schwebenden Blechkiste, die sich in einem überschaubaren Areal navigieren lässt. Wir heben Schrott auf, um unser Gefährt mit Deckung auszustatten – denn wir sind nicht alleine im Gebiet unterwegs. Andere Spieler durchstreifen ebenfalls auf fliegenden Fahrzeugen die Spielumgebung und versuchen, uns mit gezielten Schüssen die Rübe abzuknallen. Die Idee des schwebenden Vehikels ist genial: Da sich lediglich das Blechvehikel bewegt, meine virtuelle Spielfigur während der Fahrt wie ich selbst in der echten Realität allerdings steht, ist Motion Sickness quasi kein Problem. Dies komme hauptsächlich zustande, wenn wir eine Diskrepanz zwischen echten Bewegungen und denen des virtuellen Körpers sehen. Rennt die Spielfigur also, doch sitzt oder steht der Spieler lediglich, bekommt ein großer Teil aller Menschen ein mulmiges oder gar kotzübles Gefühl. Wird stattdessen eine Art Cockpit genutzt, was hier clevererweise der Fall ist, haben weitaus weniger Leute Probleme.
Das virtuelle Fuhrwerk implementiert gelungen das Room-Scaling-Feature, das Valve und HTC etabliert haben. Je größer die im Voraus festgelegte Spielfläche, umso größere Blechkisten können ausgewählt werden. Denn innerhalb unseres kleinen bis großen “Cockpits” können wir uns frei bewegen und von Deckung zu Deckung ziehen. Mehr oder weniger lässt sich der Titel für Leute mit wenig Platz auch nur im Stehen spielen, solange die Arme in alle Richtungen voll ausbreitbar sind. Zu Beginn jeder Runde gewährt uns eine Kiste einige Stücke an Schrott, die zur Deckung an den Seitenwänden umfunktioniert werden. Unbegrenzte Deckung steht uns dabei allerdings nicht zur Verfügung. Stattdessen sind in den Arealen weitere Kisten zur Bergung versteckt, die freie Stellen oder kaputtgeschossenen Schrott abermals mit Deckung füllen. Beide Controller geben uns ein Objekt in die Hände: Wahlweise zwei Waffen, oder neben einer Knarre eine Art Multifunktions-Schweißgerät. Mit diesem starten wir nicht nur nach jedem Stillstand den Motor, sondern wird es auch zur Steuerung genutzt. Läuft der Motor, wird per gedrücktgehaltenem Trigger beschleunigt. Die Neigung des Controllers bestimmt dabei, in welche Richtung die Blechkiste schwebt. Dies klingt tatsächlich komplizierter als es ist: Ich war erstaunt darüber, wie simpel und intuitiv sich die Vehikel steuern lassen. Da verlangt gar das Starten des Motors mehr Übung, da wir den Schweißer stets präzise in eine Art Schlüsselloch auf unserem Bord stecken müssen. Ebenfalls auf diesem Multifunktionswerkzeug abgebildet ist eine Minimap, die Umrisse der Umgebung sowie Gegner anzeigt. Zu guterletzt gelingt auch die Bergung und Verwaltung von gefundenem Deckungs-Schrott durch dieses Gerät. Der Menü-Knopf ruft bei Gedrückthalten auf beiden Controllern die Waffenauswahl auf und so ist der Wechsel simpel. Wird der Knopf lediglich angetippt, wird praktischerweise zur zuletzt getragenen Ausrüstung gewechselt. Der Umgang mit dem Allzweck-Werkzeug kann zunächst etwas überfordernd wirken und so tat ich mich in hektischen Situationen zunächst schwer, zwischen Waffen und Hilfsmittel zu wechseln, um rechtzeitig aus dem Kreuzfeuer abzuhauen. Mit steigender Spielzeit aber gelingt die Kontrolle immer besser, zudem kristallisiert sich für jeden Spieler eine Spielweise heraus. Während es viele Leute lieber mögen, das Steuerungs-Tool durchgehend in einer Hand zu halten und so lediglich eine Hand frei für Waffen zu haben, fahre ich meist an meine Gegner heran, wechsle auf beidhändige Waffenausrüstung und feure, was das Zeug hält. Zwar ist eine Flucht auf diese Weise wirklich umständlicher, doch spiele ich mit dieser Strategie schlichtweg effektiver.
Die Wahl der Waffen ist ebenfalls entscheidender Faktor, wenn es um Sieg oder Niederlage geht. Online sind in den Partien zwei Exemplare enthalten: Eine Pistole sowie eine Schrotflinte. Beide Modelle unterscheiden sich stark in ihren Vorteilen: Auch wenn die Schrotflinte größeren Schaden anrichtet, ist sie dank der Streuung auf alles außer unmittelbare Nähe quasi unbrauchbar. Vielmehr kann sie genutzt werden, um entweder die Deckung anderer Schiffe zu zerstören, oder um andere Blechkisten gar zum Explodieren zu bringen. Denn nicht nur ein Abschuss anderer Spielerfiguren gibt einen Punkt: Die Zerstörung des genutzten Vehikels läuft auf das selbe hinaus. Mit der Pistole können wir präziser auf unsere Feinde schießen. Zum Scharfschützen wird hier aber keiner – die Auflösung der Vive macht es leider nicht möglich, auf weite Entfernung eine ausreichende Sicht zu haben. Die erste Generation der Head-Mounted-Displays leidet nun einmal an einer Reihe von Baustellen, die sich erst mit wandelnder Technik bessern werden. Auf mittlerer bis naher Entfernung aber lässt sich die Pistole kontrolliert auf Gegner abschießen. Allerdings halten die Figuren einiges aus, sodass nicht nur ein platzierter Kopfschuss ausreicht. Auch muss der Rückstoss bedacht werden, der schnell aufeinander folgenden Schüssen die Wirkung herausnimmt. Wer konzentriert und kontrolliert schießt, hat zumeist besser Karten als Spieler, die blind eine nach der anderen Kugel in den Sand setzen. Ist das Magazin leer, folgt das nächste Highlight: Es ist eine Wohltat, seine Waffen nachzuladen. Erfordern die meisten Spiele nur einen Knopfdruck zum Nachladen, fällt dies hier ein wenig interaktiver aus. Der Revolver klappt per Touchpad-Druck aus und entleert automatisch die Patronen. Befüllen müssen wir die Waffe allerdings manuell: Wir streichen das Touchpad kreisförmig entlang des Patronenlagers, um Patrone für Patrone einzulegen. Anschließend klappen wir den Revolver mit einer befriedigenden, schnellen Bewegung erneut zu und können wieder losballern. Die Schrotflinte öffnet sich auf die selbe Weise. Hier laden wir drei neue Patronen mit drei Touchpad-Drücken ein und klappen sie ebenfalls zu. Diese Art von Nachladen ist verdammt spaßig und führt auf dem Schlachtfeld zu spannenden Momenten. Wer seinen Nachladeprozess perfektioniert einübt, hat sicherlich einen Vorteil, wenn es darauf ankommt. Doch wundert euch nicht, wenn ihr zu Beginn allzu oft das Nachsehen habt: Hover Junkers hat durchaus eine steile Lernkurve. Ich habe bereits die verzwickte Steuerung bzw. Wechsel zwischen Waffen und Werkzeug angesprochen, doch auch das allgemeine Schießen kann anfangs zur Herausforderung werden. Auch das Schrott-Lootsystem müssen wir erst kennenlernen. So erfuhr ich erst nach einiger Zeit, dass ich Schrott nicht nur als Deckung nutzen, sondern auch “opfern” kann, um mein Schiff ein wenig zu reparieren und gar einige Zusatzpunkte einzustreichen. Andere Spieler haben schlichtweg mehr Erfahrung und Übung. FPS-Fans müssen hier bei Null anfangen, denn Können aus traditionellen Shootern auf Monitoren / TVs transferiert sich hier nur bedingt auf die Leistung.
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Allen Einsteigern hat Stress Level Zero einen Schießplatz gewidmet. In einem charmanten Video werden uns zunächst die Grundlagen zum Umgang mit der Waffe erklärt. Hier stehen diverse Zielscheiben und andere Zielobjekte wie Glasflaschen zur Verfügung, sodass Anfänger ihre Genauigkeit und Schnelligkeit beim Nachladen üben können. Abseits des Schießplatzes und der Online-Schlachten ist derzeit noch kein weiterer Modus integriert. Eine vollwertige Singleplayer-Kampagne ist allerdings in Arbeit. Auch wollen die Entwickler in Kürze fliegende Roboter in einem neuen Koop-Modus einbetten, sodass Anfänger auch auf bewegende Objekte ihre Fähigkeiten verbessern können. Diese Spielvariante “BuzzBot Attack” ist für den ersten großen Patch 1.1 geplant, der in den nächsten Wochen erscheinen soll. Ebenfalls mit 1.1 werden zwei neue Waffen für den Multiplayer aktiviert: Eine Uzi und eine Signalpistole. Bereits im jetzigen Build lassen sich diese Wummen auf dem Schießplatz ausprobieren und machen dank ihres Schussverhaltens und Nachladeprozesses großen Spaß. Der Multiplayer kommt indes mit 11 Maps daher, was eine solide Anzahl ist. Neben Free For All sind Team-Matches möglich, doch würde ich mit über weitere Modi freuen. Diverse Schiffarten, 17 insgesamt, sorgen dafür, dass Spieler mit verschiedenen Spielflächengrößen zum Zug kommen. Wer gar ein großes Vehikel durch ausreichenden Platz nehmen kann, kommt optional in Team-Deathmatch in den Genuss von Koop-Action. Ein zweiter Spieler kann auf die Blechkiste eingeladen werden. Zugegeben, es fühlt sich zunächst komisch an, seinen virtuellen Platz mit einer anderen, virtuellen Figur zu teilen. Doch hat man sich daran gewöhnt, wird das Koop-Geschehen zum großen Spaß. Rollen können verteilt werden und so übernimmt ein Spieler den Fahrer, der andere den Schützen. Dies hilft allen voran denen, die beidhändig schießen wollen, aber Probleme mit dem schnellen Wechsel zum Steuerungswerkzeug zur Flucht oder Verfolgung haben.
Egal ob alleine oder im Duo: Hat man sich erst einmal eingespielt und ist nicht mehr lediglich Kanonenfutter, sondern würdiger Gegner, ist Hover Junkers ein großer Spaß. Es fühlt sich schlichtweg fantastisch an, an gegnerische Vehikel heranzuschweben, auf zwei Pistolen zu wechseln und andere Spieler mit präzisen Schüssen zu überraschen. Es sind zwar immer nur bis zu sieben Gegner auf dem Spielfeld, doch da die Areale nicht allzu groß sind, ist Action im Sekundentakt die Norm. Binauraler Sound hilft dabei, schnell Schüsse aus der Ferne akustisch zu orten. Sind wir selbst einmal in Bedrängnis oder umzingelt – und das kommt häufig vor – wird die Deckung zu unserem besten Freund. Ich hatte einem Tag nach meinem ersten Hover Junkers-Ausflug wahrlich Muskelkater vom ständigen in-die-Knie-hinter-Deckung-und-wieder-hoch-zum-Schießen-gehen. Hover Junkers ist regelrechter Sport und bringt mit seinen hitzigen Gefechten Spieler schnell zum schwitzen. Die kompetitive Ader des Spiels trägt dazu bei, dass wir als Spieler unser bestes geben und so werden die Online-Matches durchaus zum Workout. Zusammen mit dem Bogenschützen-Titel Holopoint hat mich Hover Junkers mit der VR-Brille bisher am meisten verausgabt – und es macht trotzdem einfach wahnsinnigen Spaß.
Doch hat Hover Junkers auch mit einigen Problemen zu kämpfen. Das wohl größte: Unbesiegbare Gegenspieler. Recht häufig stoße ich auf Spieler, die auf ihrem Schiff quasi unbesiegbar sind. Sie bemühen sich gar nicht erst um Deckung, denn egal wie häufig sie getroffen werden: Sie sterben schlichtweg nie. Egal ob Bug oder Cheater – diese Vorfälle sorgen für Frust. Zum Glück ist dieses Problem ganz oben auf der Prioritätsliste von Stress Level Zero. Ebenfalls eine Sorge stellt für mich die Spieleranzahl da. Ich habe noch nie mehr als 100 zeitgleiche Spieler auf den Servern gesehen. Zwar bleibt diese Zahl relativ konstant und so sieht es nun einen Monat nach Release sogar etwas besser um die Zahlen aus als noch unmittelbar nach Veröffentlichung und ich habe das Gefühl, es werden täglich mehr. Selten werden die europäischen Lobbies aber nicht gefüllt, sodass mir in einigen Fällen nichts anderes übrig blieb, als auf einen US-Server zu wechseln. Bisher kam ich allerdings immer innerhalb von wenigen Minuten oder gar Sekunden in ein gut gefülltes Match, sodass dies weniger bestehendes Problem als vielmehr Sorge für die Zukunft ist. Die überschaubare Spieleranzahl mag zum einen daran liegen, dass nun einmal wenige HTC Vive-Geräte auf dem Markt sind. In den kommenden Monaten könnte dank neuer Käufer auch die Spieleranzahl weiter steigen. Doch zum anderen befürchte ich, dass viele potentielle Spieler der Preis abschreckt. Mit einem Preis von 31,99€ gehört Hover Junkers zu den teuersten Spielen der Vive. Ich bin der Meinung, dass der Preis durchaus gerechtfertigt ist. Die Map-Anzahl ist solide und durch eine künftige Singleplayer-Kampagne sollte der Umfang nicht das Problem sein. Der Titel wirkt sehr ausgefeilt und zählt mit seinem Konzept zu den wenigen Spielen der Vive, das ich bisher wirklich als vollwertigen Titel ansehe. Zwar würde ich mich auch über ein richtiges Fortschrittssystem freuen, doch überzeugt mich Hover Junkers bereits jetzt mit seinem Umfang und Spielgeschehen.
Hover Junkers – Fazit
Hover Junkers beweist, dass Online-Balleraction in VR absolut möglich und verdammt spaßig ist. Die schwebenden Blechkisten stellen ein tolles Konzept dar und es ist unterhaltsam, die Vehikel die überschaubaren Maps entlang zu navigieren und mit gefundenem Schrott zu verbarrikadieren. Die Schußmechaniken sind ebenfalls solide umgesetzt und so fällt selbst das Nachladen amüsant aus. Zwar fühlte ich mich anfangs vom gleichzeitigen Fahren und Ballern überfordert, doch mit etwas Übung und erstaunlich hoher physischer Anstrengung habe ich nun auch im Gefecht mit anderen Spielern durchaus eine Chance. Die Map-Auswahl ist gelungen und durch den in Aussicht gestellten Zusatz-Inhalt in Form von neuen Spielvariationen, neuen Waffen und einer vollwertigen Kampagne ist auch der Preis gerechtfertigt. Wer auf der Suche nach anstrengenden, aber nicht minder spaßigen Online-Schlachten in der virtuellen Realität ist, bekommt mit Hover Junkers das bisher beste Paket auf der Vive geboten.