Releasetermin: 21.03.2014
Medientyp: Blu-ray Disc, Download
Genre: Action-Adventure
Entwickler: Sucker Punch Productions
Herausgeber: Sony Computer Entertainment
InFamous Second Son kommt mit ganz schön viel Druck auf den Schultern daher. Als erstes großes PS4-Spiel nach dem Launch sind alle Augen auf dem Titel gerichtet, ebenso ist er Sonys Flaggschiff, der sich gegen Titanfall auf der Xbox One behaupten muss. Sucker Punch will sowohl Serienveteranen überzeugen als auch Neulinge den neusten inFamous Teil schmackhaft machen. Schafft Second Son den großen Wurf oder belastet der große Druck das Spiel zu sehr? Wir sind für euch an Delsins Seite ins virtuelle Seattle gezogen und berichten nun über das Helden-Epos.
Conduit wider Willen
Das Spiel beginnt 7 Jahre nach dem „guten“ Ende aus inFamous 2. Uns wird der neue Charakter Delsin Rowe vorgestellt, der einen amerikanischen jungen Mann darstellt, der nur Unsinn im Kopf hat und sich auf der falschen Seite des Gesetzes wohler fühlt. Blöd nur, dass sein eigener Bruder Reggie der lokale Polizei-Sherrif ist und Delsins Verhalten nicht verstehen kann. Während Reggie Delsin dabei erwischt, wie er ein Plakat verunstaltet, werden die beiden Zeugen der Flucht mehrerer Bio-Terroristen. Besagte Terroristen sind in der Welt von inFamous Second Son jedoch nur bedingt kriminell, da die Regierung so alle Conduits nach den Ereignissen aus inFamous 2 nennt und in der Öffentlichkeit entsprechend darstellt. Conduits sind Menschen, die das Pech haben, übernatürliche Kräfte inne zu haben. Das Department of Unified Protection, kurz DUP, ist auf der Jagd nach allen Conduits und sperrt sie ein. Brooke Augustine ist die herrische und brutale Führerin der DUP und ist – welch Ironie – selbst ein Conduit. Als Delsin mit einem der flüchtenden „Terroristen“ in Kontakt kommt, zeigt sich, dass er wohl die Kräfte der Conduits absorbieren kann und fortan selbst über Rauch-Kräfte verfügt. Auch wenn er nun ein Ziel der DUP ist, macht sich Delsin zusammen mit Reggie auf dem Weg nach Seattle, um Augustine zu schnappen und ihre Kraft zu absorbieren – sie griff die Bewohner aus Delsins Dorf mit ihrer Granit-Fähigkeit an und ist mit ihrer Kraft die einzige, die den Schaden rückgängig machen kann. So ist die Basis für ein spannendes Abenteuer geschaffen, das durchaus überzeugen kann. Der Start der Handlung ist gut gemacht und gibt einen ersten Ausblick auf wichtige Charaktere. Delsin ist der unbekümmerte, kindische „Hipster“, sein Bruder Reggie der pflichtbewusste Cop. Obwohl die beiden in solch einem Kontrast stehen, ist ihre brüderliche Beziehung verständlich gestaltet und formt sich noch weiter während der Story. Augustine ist der typische Tyrann, der die eigene Verhaltensweise für die einzig wahre hält und auch über Leichen geht. Im Verlauf des Spiels treten wir mit weiteren Conduits in Kontakt, die ebenso verständlich handelnd dargestellt werden. Die Charaktere sind eine große Stärke des Spiels und sicherlich die bisher stärksten im inFamous-Universum. Die Entwicklung von Delsin, entweder zum immer pflichtbewusster handelnden oder immer rücksichtsloser werdenden Protagonisten, ist interessant zu beobachten und Resultat des Karma-Systems von Second Son. Uns Spielern werden hin und wieder verschiedene Handlungsmöglichkeiten freigestellt, die grundsätzlich auf ein „böses“ oder „gutes“ Handeln abzielen. Leider sind diese Entscheidungen recht rar gesät und man wird insgesamt maximal 9-10 Mal mit solchen Situationen konfrontiert. Hier hätte man sicherlich mehr aus den Möglichkeiten machen können. Je nach Entscheidung verläuft die Story etwas anders ab, wodurch wir auch 2 mögliche Enden bekommen. Sucker Punch versucht hier, die Spieler zum mehrmaligen Durchspielen zu ermutigen, da die Entscheidungen veränderte Handlungsstränge mit sich bringen. Das gelingt jedoch nur bedingt, da sich die Ereignisse je nach Entscheidung nicht allzu sehr unterscheiden.
Enttäuschende Nebentätigkeiten
Nicht nur in der Handlung, sondern auch im Spielgeschehen ist das Karma-System zu spüren. Während man in der Stadt unterwegs ist, ergeben sich spontane Situationen. Auch wenn man diese ganz auslassen kann, lohnt es sich, diese entweder gutartig oder bösartig anzugehen und so zur Karma-Neigung beizutragen. So stehen Musiker in der Gegend herum, ebenso protestierende Conduit-Gegner, die man niederstrecken kann. Ebenfalls gibt es einige Situationen, in denen man seine Gutmütigkeit beweisen kann und sich z.B. Drogendealern in den Weg stellt, diese nur ausknocked, nicht tötet, und anschließend die Drogen zerstört. Leider regnet es durch diese Aktionen nicht besonders viele Karma-Punkte, sodass man sich anfangs vielleicht austobt, die Events aber schnell ignoriert. Ich persönlich hatte zuerst meinen Spaß am Befreien von Conduit-Verdächtigen, beachtete die Situationen aber nach wenigen Stunden nicht mehr, sobald ich alle damit zusammenhängenden Trophäen ergattert hatte. Da versprühen die verfügbaren Nebenmissionen durchaus mehr Reiz, sind aber auch nicht das Gelbe vom Ei. Es gibt einige Aufgaben, die das Spielgeschehen ein wenig aufpeppen, aber ebenfalls schnell langweilig werden. Seattle ist in mehrere Bereiche aufgeteilt, die von der DUP besetzt sind. Vertreiben wir die DUP-Gegner aus einem Areal, stehen mehrere Arten von Nebenmissionen bereit, die leider aber bei jedem Gebiet gleich ablaufen. Handy-Signale orten, Wände voll sprayen oder geheime DUP-Agenten jagen sind einige der verfügbaren Missionen. Diese können teilweise nur wenige Minuten, manchmal sogar nur Sekunden beanspruchen und laufen, wie bereits erwähnt, in jedem Gebiet nach dem selben Schema ab. Second Son ist ein Open World Spiel und bietet neben den Hauptmissionen einiges zu tun, allerdings haben Genre-Verwandte da bereits deutlich mehr Abwechslung und Umfang gezeigt. Da muss man nicht einmal die kolossale Spielwelt eines GTA V zum Vergleich ziehen, schließlich lassen sich die Spiele nur bedingt vergleichen. Dennoch hat bereits ein Prototype 2 größere Missionenvielfalt und eine längere Spielzeit gezeigt. Selbst wenn man sich Zeit lässt und auch mal einfach nur durch die Stadt streift, sollten rund 12 Stunden reichen, um einen Spieldurchgang vollständig zu absolvieren. Da haben selbst die Vorgänger ein wenig mehr geboten. Doch ich will dem Spiel auch nicht alles ankreiden, denn in diesen 12 Stunden hat man, abgesehen von den etwas belanglosen Zusatzaufgaben, riesigen Spaß.
Fantastische Kräfte
Die Hauptmissionen bieten deutlich mehr Abwechslung und setzen das gute Gameplay-Gerüst toll in Szene. Das Spielgeschehen mit den Kräften ist das große Argument, das inFamous Second Son trotz der bereits genannten Schwächen zum absolut großen Spaß machen. Es hat sich nie besser angefühlt, in einer virtuellen Stadt als Superheld oder Bösewicht herumzustreunen. Sowohl die offiziell enthüllten Kräfte Rauch und Neon als auch die im Spiel verborgenen Kräfte sind gut differenziert und bieten ein jeweils völlig anderes Spielgeschehen. Die Fortbewegung ist mit jeder Kraft besonders, das Kampfsystem spielt sich ebenso nie gleich. Ich kann es nicht oft genug betonen, wie genial die Kräfte durchdacht wurden. Verbunden mit dem Karma-System lassen sich bei jeder Kraft unterschiedliche Fähigkeiten freischalten, die das Gameplay noch abwechslungsreicher machen. Dem grundsätzlichen Gameplay kann ich nur wenig ankreiden, so ist jedoch das Klettern zum Beispiel eine Qual und stellt keinen Vergleich zur Assassin’s Creed Reihe dar. Zum Glück bietet jede Kraft eine leichtere Art der Gebäudeerklimmung. Durch Rohre an Hausfassaden können wir in kleinsten Rauchpartikeln durchfliegen und kommen an der Spitze wieder empor. Neon bietet die Möglichkeit, Häuser einfach hochzulaufen. Das macht die schlechten Klettermechaniken definitiv wett. Auch wird sich eventuell nicht jeder damit anfreunden können, dass nicht alle Kräfte jederzeit nach Belieben auszuwählen sind. Man muss in der Spielwelt nach entsprechenden Kraftquellen Ausschau halten, um die entsprechende Kraft zu erhalten. Das grundsätzliche Gameplay-Gerüst ist fantastisch und macht das Spiel mehr als wert. Während die Hauptmissionen noch überzeugen können, ist abseits der Story zu wenig zu tun, um das Spiel als absoluten Kracher bezeichnen zu können. Zum Glück ruht sich der Entwickler nicht auf dem Erfolg aus und hat bereits zusätzliche Missionen in Form von kostenlosen Updates bereitgestellt. Weitere Aufgaben kommen dem Spiel natürlich nur zu Gute, daher freuen wir uns auf zukünftigen Inhalt.
Partikelfeuerwerk par excellence
In Sachen Grafik hat sich Sucker Punch selbst übertroffen und mit das hübscheste Spiel auf Konsolen geschaffen. Lediglich Killzone Shadow Fall oder auch Ryse bieten eine technisch ähnlich überzeugende Optik, doch inFamous sticht mit seinem absolut klarem Bild heraus. Auch wenn das Spiel die 60 FPS nicht erreicht, läuft es butterweich und zeigt überhaupt kein Aliasing. Die Effekte, allen voran die Partikeleffekte, die sich bei den Rauch- und Neon-Kräften zeigen, sind so mit Sicherheit nicht auf der PS3 möglich gewesen. Die Texturenarbeit ist für ein Open World Spiel bombastisch und so müssen wir schon mit der Lupe suchen, um in der großen Spielwelt mal eine verkorkste Textur zu finden. Das Charaktermodell von Delsin ist atemberaubend detailliert gestaltet und auch die anderen Figuren sehen beeindruckend aus. Sucker Punch hat in Second Son die deutlich besten Gesichtsanimationen der Serie geleistet und auch die Figurenanimationen sind auf einem ganz anderem Level verglichen mit den Vorgängern. Lediglich die geringe Gegnervielfalt will ich der visuellen Arbeit ankreiden, auch die Dichte der Stadtbewohner darf ruhig noch höher sein. Dennoch ist das Spiel eine regelrechte Augenweide und DER Titel zum Vorzeigen bei Freunden. Durch einen Patch können wir nach Durchspielen zwischen Tag und Nacht wechseln – besonders zu dunkler Tageszeit sieht die Neonkraft nämlich am beeindruckendsten aus. Ebenso von großer Popularität ist der per Update hinzugefügte Fotomodus, der uns das Spiel zu jedem Zeitpunkt anhalten lässt. Wir können Zoomen, über die detaillierte Darstellung von Delsins Schuhen staunen, Farbfilter anwenden, und und und. Solch ein Modus würden wir uns für viele kommenden Spiele wünschen, weil er insbesondere in Zusammenarbeit mit der Share-Funktion der PS4 für große Aktivität in sozialen Netzwerken sorgt. Auch der akustische Aspekt ist im Vergleich zu den Vorgängern auf einem anderen Level. Im Englischen ist die Vertonung der Charaktere super gelungen und auch im Deutschen kann die Synchronisation überzeugen. Die Kräfte haben nicht nur tolle visuelle Effekte, sondern auch überzeugende akustische Untermalung. Auch wenn man sich schlecht vorstellen kann, wie „Rauch“ klingen soll, ist die Umsetzung stimmig. Insbesondere bei Neon kann der Sound begeistern – pew pew pew! Die musikalische Untermalung ist ebenso gut gewählt und trägt zum stimmigen Spielgeschehen bei.
Fazit:
Schade, dass das geniale Gameplay-Gerüst nicht vollkommen zur Geltung kommen kann! Niemals hat es mehr Spaß gemacht, sich als Superheld oder als Superschurke richtig auszutoben. Die Kräfte sind allesamt genial und bieten ein unterschiedliches Spielgeschehen. Die Grafik ist absolut atemberaubend, wir sehen tolle Charaktere in einer soliden Story, und dennoch kann ich inFamous Second Son nicht als perfektes Spiel dastehen lassen. Abseits der Handlung gibt es kaum mehr als belanglose Aktivitäten und repetitive Nebenmissionen. Für ein Open World Spiel hätte ich mir einfach mehr gewünscht, als wir geboten bekommen. Auch das Karma-System bleibt storymäßig hinter seinen Möglichkeiten. Dennoch legt Sucker Punch eine ordentliche Steigerung zum Vorgänger hin und macht uns heiß darauf, was sie mit der PS4 in Zukunft noch alles anstellen werden.
Fantastische Kräfte und tolles Spielgeschehen
Tolle Charaktere Bombastische Optik Gute Sound-Untermalung |
Karma-System bleibt unter Möglichkeiten
Belanglose Nebenaktivitäten Relativ kurze Spieldauer |
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