Releasetermin: 28.01.2015
Medientyp: Blu-ray Disc (ab 27.02.15), Download
Genre: First-Person-Action/Adventure, Survival
Entwickler: Techland
Herausgeber: Warner Bros. Interactive Entertainment
Entwickler Techland betritt mit dem Open-World-Survivalspiel Dying Light keineswegs Neuland. Das polnische Studio lieferte im Jahre 2011 mit Dead Island ein Zombiespiel ab, das ähnlich große Freiheit wie Dying Light bot. Doch war der Titel von so einigen Problemen belastet, die auch der Nachfolger Dead Island: Riptide im letzten Jahr nicht ausmerzen konnte. Obwohl mittlerweile ein anderer Titel das Spiel ziert, geht Dying Light als spiritueller Nachfolger der Dead Island-Spiele durch. Der Survival-Slasher bedient sich am Grundgerüst, das schon in Dead Island überzeugt hat, und wird erweitert um bewährte Spielmechaniken aus anderen Genres. Hat Techland mit Dying Light nun endgültig ein rundum gelungenes Zombie-Paket abgeliefert oder machen sich auch hier schnell Ernüchterungen breit? Wir haben uns den Untoten gestellt und berichten aus Harran.
Traumberuf
Das Spiel beginnt mit einer fulminanten Sequenz: Der Hauptcharakter Kyle Crane landet per Fallschirm in den Slums der türkischen Stadt Harran, die als Zombie-verseuchte, abgeschottete Quarantänezone bekannt ist. Hier treiben Unmengen an Zombies ihr Unwesen, was der Söldner sichtlich unterschätzt hat. In Harran soll Crane für die Organisation Global Rescue Effort (kurz GRE) einen Informanten ausfindig machen, der geheimes Informationsmaterial verbreitet. Durch die unsanfte Ankunft in Harran verliert er sein Ziel zunächst jedoch aus den Augen und richtet seinen Fokus auf die Anhänger des „Turms“, nachdem diese Crane nach seiner erster Begegnung mit den Zombiemassen gerettet und wieder zusammengeflickt haben. So dreht sich die Story um Kyle Cranes Interaktion mit den Überlebenden, um seinen Auftrag für GRE und um den psychopathischen Warlord Rais, der die Welt, nach Christopher Nolans „Joker“ berühmten Worten, „nur brennen sehen möchte“. Wir erleben viele Wendungen und Überraschungen, die die Geschichte tatsächlich unterhaltsam gestalten. Viele Überlebende werden vorgestellt, die sich mal mehr, mal weniger interessant präsentieren. Das Spiel versucht gelegentlich zu krampfhaft, emotionale Bindungen mit den noch lebenden Menschen aufzubauen. In einer Welt voll tödlicher Zombies sollte es niemanden überraschen, dass auch die ein oder andere Figur ins Gras beißt. Dying Light will uns in diesen Fällen emotional ergreifen, doch schaffte der Titel dies bei mir nur selten. Es ist etwas unglaubwürdig, dass ein hartgesottener Söldner sehr von einem Todesfall ergriffen wird, wenn er die betroffene Person erst kurze Zeit kannte. Der Titel hat zwar auch seine gefühlvollen Momente, doch viele Versuche fühlten sich unnötig aufgezwungen an. Dennoch war ich überrascht, dass Techland dem Zombie-Schnetzeln auch eine solide Geschichte spendiert hat, die mit zahlreichen Hintergrundinformationen über Harran, die Einwohner und die Seuche auf den Spieler wartet.
Mirror’s Edge meets lots of Zombies
In Harran sind verschiedene Arten von Untoten vorzufinden. Die klassische Variante, langsam schlurfende Zombies, darf ebenso wenig wie die aggressive Variante, uns flink entgegenkommende Zombies, fehlen. Seltener anzutreffen sind spezielle Formen, wie besonders große und besonders starke Exemplare sowie eine mit giftigem Schleim spuckende Gattung. In der Nacht treiben extrem gefährliche, rasant schnelle Jäger-Zombies ihr Unwesen und tagsüber sind außerdem andere Überlebende in Harran unterwegs, die feindselig gestimmt sind. Die Gegnervielfalt stellt eine große Stärke des Spiels dar, weil sie stets eine Anpassung des Spielstils erfordert. Die unterschiedlichen Arten und Gattungen sind auch auf unterschiedliche Weise klein zu kriegen. Durchgehend eine Hilfe im Kampf gegen die Zombies ist das groß beworbene Parkour- und Fortbewegungssystem. Sprinten, Springen und Klettern gehört zum Tagesprogramm des Protagonisten, der elegant mit der Umgebung interagieren und Hindernisse geschickt hinter sich lassen kann. Durch ein Aufstufungssystem werden im Spielverlauf immer mehr Parkour-Fähigkeiten freigeschaltet, die unsere Fortbewegung in Harran zum spaßigen Zeitvertreib machen. Die Spielwelt ist beachtlich groß und obwohl es einige Minuten dauern kann, von einem Ort zum nächsten Mission zu gelangen, gestaltet das Bewegungskonzept die Reisen stets unterhaltsam. Die Steuerung ist simpel gehalten und wirkt zunächst eigen: Per L1 lassen sich sämtliche Kletter- und Sprungeinlagen ausführen. Schauen wir auf eine Gebäudekante und sind in Reichweite, können wir diese mit einem einfachen Knopfdruck erklimmen. Wem die Fortbewegung nicht gefällt, kann das Schnellreisesystem benutzen und das Klettern und Springen auf einem Minimum halten. Mir persönlich haben die Parkourfähigkeiten jedoch sehr gefallen und machten den Großteil meines Spielspaß aus. Es ist ein unheimlich befriedigendes Gefühl, von einem Zombie verfolgt auf ein Gebäude zu flüchten, von Haus zu Haus außer Reichweite zu gelangen, sich heimlich wieder anzuschleichen und den vorherigen Verfolger mit einem kräftigen Dropkick gen Tod zu befördern.
Du bist um 21 Uhr wieder zuhause!
Ebenfalls ein starkes Element des Spiels ist der Tag- und Nacht-Wechsel. Während das Geschehen tagsüber recht übersichtlich ist und wir daher weitestgehend ausreichende Kontrolle über die Situationen haben, stellt die Nacht diese Kontrolle und Sicherheit auf den Kopf. Lediglich mit einer Taschenlampe ausgestattet ist vor allem das Sichtfeld begrenzt. Die Nacht birgt in Form von rasant schnellen Jäger-Zombies eine besondere Gefahr, die zu Beginn des Spiels häufig im sofortigen Tod endet. Daher gilt es, stets auf die Minimap zu achten, die solche Zombies samt Sichtkegel anzeigen. Dabei wiederum darf man nicht vergessen, dass in den Straßen von Harran weiterhin jede Menge gewöhnliche Zombies lauern. Nicht selten wurde ich beim Versuch, den Jäger-Untoten aus dem Weg zu gehen, von einem vermeintlich „leichten“ Zombie überrascht. In diesen Momenten honoriert das Spiel ein Stealth-Vorgehen, das eine ganz besondere Atmosphäre erschafft. Nachts ist das Geschehen deutlich gefährlicher und das ein oder andere Mal wurde ich von einem Zombie beachtlich erschreckt, den ich nicht gesehen habe. Tagsüber würde ich Dying Light kaum als Horrorspiel bezeichnen, doch nachts wartet das Spiel mit überzeugenden Gruselmomenten auf den Spieler. Leider währt sich das Gruselfeeling schnell ab. Mit zunehmenden Fähigkeiten und erhöhter Gesundheit fällt das Überleben deutlich leichter aus. Mit der von Beginn an verfügbaren UV-Lampe sind Jäger-Zombies außerdem auf Distanz zu halten, sodass eine Flucht nach einigen Stunden Erfahrung kein Problem ist. Auch wenn der Zauber der Nacht nach etwa 10 Stunden deutlich verflogen ist, bin ich immer noch gerne nach Sonnenuntergang in Harran unterwegs. Das liegt an der Tatsache, dass die durch Benutzung des Parkour- und Kampfsystem verteilten Wendigkeits- und Kraftpunkte in der Nacht doppelt vergeben werden werden, die wiederum beim Erreichen einer neuen Stufe neue Fähigkeiten freischalten. Eine überlebte Nacht wird außerdem mit Überlebenspunkten belohnt, die es sonst nur durch die Absolvierung von Missionen gibt. Apropos Missionen: Mit Aufgaben, die nur in der Nacht zu lösen sind, hatte ich den meisten Spaß. Diese sind meist mit vielen Schreckmomenten gespickt und weisen meiner Meinung nach das interessanteste Design auf.
Ich nehm’s mit allen auf
Der Großteil der Aufträge findet allerdings tagsüber statt. Es läuft stets mindestens eine Story-Mission, die die Handlung vorantreibt. Von Überlebenden angenommene Nebenmissionen sind ebenfalls zahlreich enthalten. Hier leiden viele Aufgaben jedoch vom Open World-Syndrom: Geh dorthin, hole etwas ab oder kämpfe gegen einen bestimmten Feind. Die Missionen werden nach wenigen Spielstunden monoton, sodass ich mich zum Beispiel nach einiger Zeit nur noch auf die Hauptaufgaben konzentriert habe. Besonders genervt bin ich von den typischen Boten-Tätigkeiten. Dass ein Diabetiker unbedingt sein Insulin braucht und mich darum bittet, es zu suchen bzw. zu holen, leuchtet mir noch ein. Doch für x-beliebige Figuren quer durch die Zombiemassen zu reisen und in höchst gefährlichen Gegenden nach einem Buch oder einer Statue Ausschau zu halten, sehe ich als Spieler einfach nicht ein. Dass einige Missionen recht öde sind, wird durch einen Punkt allerdings wett gemacht: Selbst bei einfachen Suchaufgaben treffen wir unterwegs auf Zombies, die wir bekämpfen können. Den meisten Untoten auf den Straßen könnten wir auch durch geschickte Häuserläufe aus dem Weg gehen, doch ist das Kampfsystem spaßig genug, um tatsächlich gerne in die Schlacht zu ziehen. Die Gefechte finden größtenteils mit Nahkampfwaffen statt. Auch Schusswaffen sind in der Spielwelt verteilt, doch sind diese äußerst rar gesät – noch knapper steht es um Munition. Hauptsächlich ziehen wir also mit Schraubenschlüsseln, Rohren, Baseballschlägern, Messern, Äxten und vielen mehr in den Kampf. Per Knopfdruck schlägt Crane zu, wodurch das Kampfsystem etwas simpel ausfällt. Solange genügend Ausdauer zur Verfügung steht, schlägt der Protagonist brutal auf die Zombies ein. Es gibt keinerlei Kombinations- oder Timingsystem, jedoch muss bedacht werden, dass Waffen sich abnutzen. Wird eine Waffe zu häufig eingesetzt, wird sie zur Benutzung ungeeignet gemacht. Sie lässt sich zwar reparieren, doch ist Reparaturmaterial begrenzt. Das Management über die verfügbaren Waffen mag zunächst lästig wirken, doch sollten erkundungsfreudige Spieler keine Probleme in diese Richtung haben. Einige Zombies, allen voran aber die menschlichen Feinde, hinterlassen Waffen, die wir benutzen können. In der Umgebung sind viele Kisten und Truhen zu finden, die sich frei oder mit einem Schlossknack-Minispiel öffnen lassen. Auch hier lassen sich Nahkampf- und Schusswaffen finden, ebenso geben Schätze meist wertvolle Rohstoffe her. Dying Light verfügt über ein Crafting-System, über das zum Beispiel Med-Kits und weitere Dietriche hergestellt werden. Ebenso lassen sich diverse Wurfwaffen anfertigen. Molotov-Cocktails, aus Alkohol und Schnur hergestellt, eignen sich für großflächige Angriffe, während explosive Wurfsterne besonders effektiv gegen einzelne Feinde sind. Selbst verschiedene Granatensorten können durch Rohstoffe zusammengebastelt werden.
Unter Strom – auch online
Wem das nicht reicht, kann seine Nahkampfwaffen mit diversen Effekten ausstatten. Werden die entsprechenden Baupläne gefunden, lassen sich Rohre beispielsweise mit einem Stromeffekt erweitern. Zombies erleiden also nicht nur den Schaden des wuchtigen Schlages, sondern stehen auch unter Strom. Mehrere Umgebungskills sind ebenfalls möglich. Eine Pfütze, in der ein kaputtes Stromkabel liegt, ist recht selbsterklärend. Mein Highlight waren im Kampf aber stets die spitzen Stachel und Nagelwände, die quer in der Spielwelt verteilt sind. Hier kommt der Kick, mit dem Feinde primär auf Distanz gehalten werden, zum Einsatz. Ein Tritt – schon ist der Zombie mehrfach aufgespießt. Per Dropkick lassen sich dadurch beeindruckend artistische Kills erzielen. Techland hat die erstklassige Entscheidung getroffen, das Spiel mit einem Online-Koop zu bestücken. Sowohl Story- als auch Nebenmissionen lassen sich im Vierer-Trupp gemeinsam abschließen. Ich hatte in meiner Zeit mit dem Spiel großen Spaß dabei zuzusehen, wie ein Kumpel per Dropkick die Zombies von Häusern und in tödliche Nägel fliegen lässt. Als wäre der Online-Koop nicht schon überzeugend genug – mit dem Matchmaking hatte ich jedenfalls nie Probleme – haben die Entwickler ein weiteres Ass im Ärmel. Der kostenfreie „Be the Zombie“-DLC macht es möglich, jeder Koop-Session als Zombie beizutreten. Pro Lobby mit bis zu vier Spielern kann ein gesteuerter Zombie beitreten, der den mutigen Überlebenden das ohnehin schreckliche Leben erst richtig zur Hölle macht. Bei einem gut eingespielten Vierer-Team, das entsprechend mit der UV-Lampe umgehen kann, hat der Zombie jedoch nichts zu lachen. Im unerfahrenen Duo würde ich mich allerdings nicht dem Spieler-Zombie stellen wollen. Wer ungestört Missionen erledigen oder auf ruhige Zombie-Meucheljagd gehen will, kann solch eine „Zombie-Invasion“ glücklicherweise auch ausschalten. Ich empfehle euch trotzdem, diese Möglichkeit zumindest einmal auszuprobieren. Der Kampf gegen den Zombie ähnelt dem Shooter Evolve und stellt eine tolle Bereicherung des Spielgeschehens dar.
Toll dargestellte Spielwelt
Obwohl Dying Light nicht das hübscheste oder technisch beeindruckendste Spiel auf der PS4 ist, war ich von der optischen Darstellung von Harran in den Bann gezogen. Ein kleiner Hinweis zu den eingebetteten Bildern: Das Spiel macht in Bewegung einen deutlich besseren Eindruck, da viele Screenshots davon geplagt sind, dass sich ein Objekt bewegt und dadurch verschwommen erscheint. Die Grafik bietet eine passable Weitsicht, der Tag- und Nacht-Wechsel erzeugt stets unterschiedliche Szenerien und auch das Wetter ist variabel. In einer stürmischen, regnerischen Nacht ist die Atmosphäre gleich noch ansteckender, selbiges gilt für dichten Nebel, der die Sicht erschwert. Die Umgebungsdetails sind solide und mir hat die Gestaltung der In-Game-Gebäude sehr gut gefallen. Verlassene Apotheken und Schnellimbisse sind zwar vermehrt zu finden, doch gibt es auch viele einzigartige Gestaltungen wie eine mehrstöckige Schule oder den Turm als zentrales Hub. Weiterhin hat es mir das Zombie-Design angetan. Die verschiedenen Gattungen sind optisch gut zu unterscheiden. Die Untoten sind hässlich und erstaunlich vielfältig dargestellt, zeigen gute Animationen. Gelegentlich wird das Spiel von Clipping-Fehlern und Bugs heimgesucht, sodass beispielsweise eine Schusswaffe plötzlich als deutlich zu großes Modell in unseren Händen aufploppt. Auch die Performance ist nicht perfekt, denn bei beanspruchenden Szenen mit vielen Zombies auf dem Bildschirm knickt die Framerate leicht ein. Dennoch hat mich das Gesamtbild fasziniert, weil es eine fantastische Atmosphäre erzeugt. Nicht weniger Schuld an dieser Stimmung ist die erstklassige Sound-Umsetzung. Tut euch einen Gefallen und setzt beim Spielen ein gutes Headset auf – im besten Fall während eines nächtlichen Ausflugs. Das Schreien und Heulen der Zombies geht ins Knochenmark, in einer Verfolgung tragen panische Klänge zum Gefühl der Gefahr bei. Außerdem weiß das Spiel gut mit Umgebungsgeräuschen umzugehen. Donner grollen wuchtig, der Wind bläst hörbar durchs Gestrüpp, die Dielen knarzen beim Betreten eines Hauses. Die deutsche Synchronisation hält leider aber nicht ganz auf dem Niveau des Sounddesigns mit. Einige Sprecher klingen fast schon gelangweilt, außerdem haben die Sprechanimationen oft mit asynchronen Stimmen zu kämpfen. Hier leistet sich das Spiel aber keinen großen Fehltritt, denn diese Probleme sind zu verkraften.
Fazit
Dying Light hat mich als Gesamtpaket mehr als überzeugt. Allen voran punktet das Spiel mit einer tollen Atmosphäre und einer interessanten Spielwelt. Das Fortbewegungssystem harmoniert angenehm mit den brutalen Kämpfen und ich hatte großen Spaß, die Spielwelt einerseits zu Erkundung, andererseits alle Untote auf meiner Reise niederzumähen. In der Nacht bietet Dying Light einen ganz anderen Charme: Gefahr hinter allen Ecken, Gruselmomente und Schleichvorgehen sind hier angesagt. Schade nur, dass der Zauber der Nacht durch Spielfortschritt nach einigen Spielstunden immer mehr entweicht! Der Titel konnte mich emotional zwar nicht so packen wie gewollt und auch einige langweilige Missionen präsentieren sich negativ. Dank dem genial integrierten Online-Koop, der ansprechenden Grafik und dem cleveren Sounddesign sehe ich aber gerne über diese Schwächen hinweg: Klare Empfehlung für alle Zombie-Fans!
Geschmeidiges Parkoursystem
Große Spielwelt mit Erkundungspotential und viel Inhalt Nächtliches Geschehen bringt Stealth und Horror Gefechte brutal und befriedigend Online-Koop inkl. Be the Zombie Tolle Grafik und erstklassiger Sound formen dichte Atmosphäre |
Einige (Neben-)Missionen sind öde
Seltene Grafik-Fehler und teils asynchrone Synchronisation |
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